Klimagutachten

 

Orientierende Klimabeurteilung für Stadtteil Machtolsheim (725 m NN) der Stadt Laichingen, Alb-Donau-Kreis. Deutscher Wetterdienst Wetteramt Stuttgart, April 1978.

 

Bearbeiter: Dr. Manfred Wagner, Wetteramt Stuttgart, Außenstelle Tübingen

 

1. Einleitung

 

Die nachfolgende orientierende Klimabeurteilung stützt sich auf eine eingehende Orts- und Geländebesichtigung am 10. März 1978 mit Messungen u.a. der Luftreinheit und auf langjährige Beobachtungs- und Meßergebnisse der  Klimastation Merklingen.

 

Wesentliche Angaben wurden aus der Karte von F. Becker und M. Wagner: "Das Bioklima in der Bundesrepublik" und den Arbeiten von W. Caspar: "Die Schneedecke in der Bundesrepublik Deutschland", herausgegeben vom Deutschen Wetterdienst, und M. Wagner: "Die Niederschlagsverhältnisse in Baden-Württemberg im Lichte der dynamischen Klimatologie", entnommen.

 

2. Lagebeschreibung

 

Machtolsheim liegt auf einer leicht gewellten Hochfläche der mittleren Schwäbischen Alb in 725 m Seehöhe. Die Landschaft wird durch aufgesetzte Kuppen und durch den Oberlauf zweier verhältnismäßig tief eingeschnittenen Trockentäler, die nach Osten ziehen, reizvoll gegliedert. Das Gelände weist im großen ganzen ein von Westen nach Osten gerichtetes schwaches Gefälle auf. Typisch ist das völlige Fehlen oberirdischer Wasserläufe. Die Entwässerung erfolgt wegen der starken Verkarstung unterirdisch zur Donau bzw. zum Blautopf. Der höchste Punkt der Markung mit 785 m NN liegt ganz im Norden auf einer bewaldeten Kuppe. Den tiefsten Punkt findet man an der Südostgrenze, wo das Hänglestal in das Lange Tal einmündet. Hier befindet man sich 610 m über dem Meeresspiegel.

 

Im Vegetationsbild überwiegen die Ackerfluren mit rund 50% weitaus. Der Wald, der die Kuppen, Rücken und Talhänge bedeckt, hat einen Flächenanteil von 25%. Der Rest ist Wiesen-, Weide- und Heideland. Das umfangreiche Wanderwegenetz weist viele ebene Wegstrecken oder nur geringe Steigungen auf.

 

3. Klimabeschreibung

 

3.1. Allgemeines

 

Großraumklimatisch gehört der Ort dem gemäßigten, feuchten Klima Mitteleuropas an. Die mesoklimatischen Eigenheiten des Klimas werden vor allem durch die freie Höhenlage bestimmt. Staueffekte treten gegenüber den Leewirkungen der Alb stark zurück. Nur bei einer Luftströmung aus Westnordwesten kommt es an etwa 4O% der Wetterlagen zu schwachen Stauerscheinungen, die sich im Wolkenfeld deutlicher abzeichnen als im Niederschlagsfeld.

 

Bei den sehr häufigen Regenwetterlagen mit Winden um Westsüdwesten bis Westen machen sich deutliche Lee-Effekte der Alb bemerkbar. Nicht ganz unwesentlich für das Niederschlagsregime ist aber auch eine noch erkennbare Fernwirkung von Leewirkungen des Schwarzwaldes bei Warmluftadvektion. Die Winde sind das ganze Jahr über meist lebhaft. Das gilt auch für östliche bis nordöstliche Winde, die im Winter bei Zufuhr von kontinentaler Kaltluft sehr hohe Abkühlungsreize verursachen können. Lokalklimatisch spielen außer den Rücken und Kuppen auch die Verteilung von Wald und Ackerfluren, besonders im thermischen Milieu, aber auch für die Luftreinheit eine Rolle. In den muldenförmigen Trockentälern besteht bei winterlichem Hochdruckwetter eine Tendenz zur Bildung von seichten Kaltluftseen und morgendlichen Nebelfeldern.

 

3.2. Mittelwerte der Klimaelemente des engeren Klimabezirkes

 

3.2.1. Temperaturverhältnisse

 

Die Charakterzüge des thermischen Milieus mit großen Schwankungen im Tages- und Jahresgang des Temperaturverlaufs sind deutlich kontinental. Die Jahresmitteltemperatur ist um 3 Zehntel Grad zu kühl. In den freien Hochflächenlagen des Ortes haben vor allem Kaltluftmassen aus Norden bis Osten freien Zugang. Das Temperaturdefizit ist bei einer Abweichung von 8 Zehntel Grad vom höhenabhängigen Normalwert besonders im Winter recht hoch. Im Sommer dagegen ist ein leichter Temperaturüberschuß von 0,1 Grad festzustellen. Bemerkenswert ist ein recht früh einsetzender Temperaturrückgang im Herbst, der ebenfalls wesentlich kühler ist als in anderen Orten Baden-Württembergs in derselben Höhenlage.

 

Jahresmitteltemperatur 6,5 Grad

 

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Im Jahresgang der langjährigen Monatsmitteltemperaturen 

niedrigstes langjähriges Monatsmittel: -2,8 Grad im Januar

mit Schwankungen zwischen: +3,0 Grad und -9,0 Grad,

je nach der Strenge des Winters.

Höchstes langjähriges Monatsmittel: 15,5 Grad im Juli.

Mittlere Jahresschwankung: 18,3 Grad.

Eine Tagesmitteltemperatur von 10 Grad 

beginnt im Mittel am 8. Mai und endet im Mittel am 29. September.

Daher sind es im Mittel 145 Tage mit einer Tagesmitteltemperatur von mindestens 10 Grad.

Mittlere Zahl der Tage mit 

Temperaturmaximum von mindest. 30 Grad (Hitzetage): 1,2 im Jahr

Temperaturmaximum von mindest. 25 Grad (Sommertage): 16 im Jahr

Temperaturminimum unter 0 Grad (Frosttage): 127 im Jahr

Temperaturmaximum unter 0 Grad (Eistage): 44 im Jahr.

Erster Frost im Mittel am 7. Oktober 

Letzter Frost im Mittel am 9. Mai.

Daher frostfreie Zeit im Mittel 150 Tage im Jahr.

 

3.2.2. Niederschlagsverhältnisse

 

Jahressumme des Niederschlags: 880 mm.

Lokalbedingte Besonderheiten:

Im Niederschlagsfeld von Machtolsheim wirkt sich der Regenschatten des Traufs der Schwäbischen Alb nachhaltig aus. Bei Luftströmungen um Westsüdwest bis West verursachen die höheren Erhebungen im Raum Laichingen gewisse zusätzliche Lee-Erscheinungen. Die Häufigkeit der Lee-Effekte beträgt bei Wetterlagen mit Winden um Westsüdwest bis Nordwest rund 50%. Daher hat der Ort ein Niederschlagsdefizit von 180 mm im Jahr. Ein schwacher Niederschlagsstau ist hin und wieder bei Ost- bis Nordostwetterlagen festzustellen.

 

Die Niederschlagssumme nimmt auf der Markung nach Nordwesten sehr rasch auf eine Jahressumme von 930 mm zu.

Im Jahresgang der langjährigen Mittelwerte der Monatsniederschlagssummen 

größte mittlere Monatssumme: 106 mm im Juni

kleinste mittlere Monatssumme: 55 mm im Oktober.

Mittlere Zahl der Tage mit einer Niederschlagsmenge von mindestens 1 mm: 144 im Jahr.

 

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Auftreten einer geschlossenen Schneedecke an: 86 Tagen im Jahr

in schneearmen Wintern an: 52 Tagen im Jahr

in schneereichen Wintern an: 120 Tagen im Jahr.

 

3.2.3. Bewölkungsverhältnisse und Sonnenscheindauer

 

Langjähriges Bewölkungsmittel im Jahr 67 Prozent Himmelsbedeckung

Langjähriges Monatsmittel des sonnenscheinreichsten Monats 59 Prozent Himmelsbedeckung im Juli, sonnenscheinärmsten Monats 79 Prozent Himmelsbedeckung im Dezember.

Mittlere Zahl der heiteren Tage (Tage mit weniger als 20 Prozent Himmelsbedeckung) 36 im Jahr trübe Tage (Tage mit mehr als 80 Prozent Himmelsbedeckung) 152 im Jahr.

Der mittlere jährliche Bewölkungsgrad entspricht etwa dem großräumigen Gebietsmittel. Das Strahlungsangebot mit hohem UV-Anteil ist nicht nur im Sommer, sondern auch noch im Frühherbst recht hoch.

 

Mittlere Sonnenscheindauer

Jahressumme: 1665 Stunden. Im Mittel sonnenreichster Monat mit 229 Stunden ist der Juli.

 

3.2.4. Windverhältnisse

 

Die Windbewegung ist das ganze Jahr überaus lebhaft. Windstillen fehlen fast völlig. Die vorherrschende Windrichtung ist West, aber auch Winde aus Osten sind bemerkenswert häufig. Örtliche Windsysteme bilden sich bei Hochdruckwetterlagen nur relativ schwach aus.

 

3.2.5. Aerosolverhältnisse

 

Bei der am 10. März 1978 durchgeführten Orts- und Geländebesichtigung gelangte die tags zuvor eingeflossene polare Meeresluft unter Hochdruckeinfluß. Obwohl der Himmel stark bewölkt war und lokale Winde sich nicht ausbilden konnten, kam es zeitweise zu lebhafteren Luftbewegungen. Bei einer mittleren Windgeschwindigkeit von 1,3 m/sec erreichten die maximalen Windstärken Werte von 3 m/sec. Die folgenden Meßergebnisse, die mit einem Scholzlschen Kernzähler und einem Jenaer Konimeter gewonnen wurden, können daher für antizyklonale Wetterlagen mit geringen Luftdruckgegensätzen als repräsentativ angesehen werden.

 

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Meßort                          Höhe    Wind    Kerne   Staubpartikel

                                m NN    m/sec   pro cm3 pro cm3

 

Machtolsheim

Rathaus                         725     0,6     18000   5,2

Wohngebiet Rappengasse 14

Haus Möschl                     727     3,0     6500    5,0

Fa. Künemund                    705     1,6     9500    4,8

Campingplatz                    724     0,5     4000    2,0

Schützenhaus                    695     0,8     3000    1,8Hochbuch

Waldrand Richtung Suppingen     705     1,1     3500    2,4

Ponyhof                         710     1,2     2500    1,4

 

Laichingen 

Bahnhofstraße Cafe Dolomiten    755     0,7     23000   9,4

 

Gosbach

Ortseingang B 466               525     0,8     29500   10,8

 

Die Ergebnisse zeigen, daß die Luftreinheit in und um Machtolsheim alles in allem recht gut ist, wenngleich die gemessene Kernzahl von 18000 pro cm3 beim Rathaus darauf hinweist, daß Immissionen vom Straßenverkehr und Hausbrand bei ungünstigen Wetterlagen zumindest zeitweise einen nicht ganz unwesentlichen Belastungsfaktor darstellen können. Das Aerosol wies einen relativ hohen Anteil an Rußpartikeln auf. Es ist mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß die Luftverunreinigung an diesem Tag vor allem durch den Hausbrand verursacht wurde. Aus den Schornsteinen einiger Häuser drang dicker Qualm.

 

Vergleicht man die Aerosolverhältnisse beim Rathaus mit denen von Laichingen oder Gosbach, so erkennt man, daß die Luftqualität in der Ortsmitte von Machtolsheim deutlich besser ist. Dies gilt ganz besonders für den Staubanteil. Erfreulich ist auch die Tatsache, daß durch den kunststoffverarbeitenden Betrieb der Fa. Künemund keine wesentliche Beeinträchtigung zu befürchten ist. Die Luftreinheit auf der Markung ist gut. Die reinste Luft wurde beim Ponyhof angetroffen. Kernzahlen von höchstens 3000 und Staubzahlen unter 2,0 Partikeln pro cm3 lassen auf eine hohe Luftreinheit schließen.

 

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4. Bioklimatische Hinweise mit Schlußbeurteilung

 

Das Bioklima von Machtolsheim ist durch relativ hohe Reizgrößen fast während des ganzen Jahres gekennzeichnet. Im Jahresmittel herrscht ein reizmildes Klima. Auch in den Übergangsmonaten sind die bioklimatischen Reize mild. Im Sommer kommt der Urlaubsgast in ein schonendes bis reizschwaches Klima. Der Winter hat einen schon deutlich reizkräftigen Charakter.

 

 Trotz eines leichten Temperaturüberschusses im Sommer fehlen sommerliche Hitze- und Schwülebelastungen nahezu ganz. Wenn sie doch einmal uorkommen, sind sie regelmäßig nur von kurzer Dauer. Nachts ist stets mit einer kräftigen und meist früh einsetzenden Albkühlung zu rechnen. Bei der recht vorteilhaften Palette der bioklimatischen Reize stehen, außer einem angenehmen sommerlichen thermischen Milieu mit ausgeprägtem Tagesgang, eine meist lebhafte Luftbewegung und gute Strahlungsbedingungen im Vordergrund. Der Strahlungsgenuß ist wegen der recht intensiuen UV-Strahlung und des freien Horizonts selbst in den Wintermonaten erstaunlich hoch. Auf der Markung trifft man eine gute bis hohe Luftreinheit an. Im Ortsinnern können die Aerosolverhältnisse als "befriedigend" bezeichnet werden.

 

Nebel treten relativ selten auf vor allem die belastenden Strahlungsnebel bleiben weit unter dem Limit, das selbst für Luftkurorte gefordert wird. Bioklimatisch gesehen sind die Voraussetzungen für eine nahezu ganzjährige Saison gegeben. Nur der November und die ersten Wochen des Winters eignen sich für einen Erholungsurlaub nicht gut. Die Schneeverhältnisse schaffen befriedigende bis gute Voraussetzungen für den Skisport. Die Anerkennung des Stadtteils Machtolsheim der Stadt Laichingen als "Erholungsort" kann in bioklimatischer Hinsicht durchaus befürwortet werden.

 

Tübingen, 3. April 1978

Deutscher Wetterdienst

Wetteramt Stuttgart

(Dr. King)

 

Leitender Regierungsdirektor

Deutscher Wetterdienst

Wetteramt Stuttgart

- Außenstelle Tübingen -

(Dr. Wagner)

 

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Amtsdiener Christof Mändle war der letzte "Büttel" der Gemeinde. Mit einer großen Messingglocke ging er fast 40 Jahre lang durch den Ort und gab die Neuigkeiten bekannt. Einige Jahre lang begleitete ihn dabei eine Gans. Während des Ausrufens der Bekanntmachungen verhielt sie sich ganz still und watschelte dann hinter dem Amtsdiener zum nächsten Platz. Es durfte ihr niemand zu nahe kommen und mehr als einmal stellte sie sich angriffslustig, wenn sie sich bedroht fühlte oder wenn sich jemand dem Amtsdiener näherte.

 

 

Haupterwerbszweige im Jahre 1820

 

Um diese Zeit gab es im Ort

3 Schildwirtschaften

a) zum Lamm mit einer gut eingerichteten Bierbrauerei

b) zum Hirsch

c) zum Ochsen

1 Bäcker mit einer Branntweinbrennerei

2 Hufschmiede

2 Wagner

6 Schuhmacher

3 Schneider

36 Weber

2 Hafner

1 Maurer

2 Zimmerleute

2 Schreiner

2 Küfer

35 Bauern

1 Sattler

2 Krämer

7 Taglöhner

2 Schäfer

Der Viehbestand betrug 65 Pferde, die im Zuge stehen, 14 Ochsen, 240 Kühe, 300 Schafe

1979 waren es: 4 Pferde, 520 Kühe, 1050 Stück Jungvieh, Kalbinnen und Mastbullen, 1870 Schweine, 400 Schafe

Im Jahre 1820 gab es 136 landwirtschaftliche Anwesen, heute sind es noch 75 mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von 1158 Hektar.

 

Einwohnerstatistik

 

        Einwohner

1602    430

1604    430

1606    400

1617    484

 

112

 

        Einwohner       Schulkinder

1649    147             20

1661    161             37

1664    175             45

1688    340             72

1690    370             83

1693    358             80

1702    343             78

1716    489             102

1724    537             132

1734    647             132

1738    515             103

1773    562             88

1800    559             95

1830    634             105

1892    689             112

1907    655             102

1933    695             95

1939    670             83

1950    928             103

1954    936             89

1961    938             135

1970    1099            153

1976    1154            185

1978    1204            191

 

 

Geistliche an der Kirche Machtolsheim

a) katholisch

Kraus

Hutter ab 1470

b) evangelisch seit 1539

Johannes Stengel        1539

Johannes Schmid         1539-1567

Israel Nestel           1567-1572

Laurent Friedrich       1572-1582

Michael Häberle         1582-1589

Michael Nüßle           1589-1598

Sebastian Keurleber     1598-1621

 

113

 

Matthäus Vogel          1621-1634

Christoph Maich         1635-1645

vacant von 1645-1649

Vikar Bartholomäus Eichenhöfer aus Ulm, Pfarrer in Berghülen    1649-1662

Johann Ludwig Wagner    1662-1703

Johann Georg Kaufmann   1704-1708

Johannes Reuling        1708-1735

Johann Christoph Mann   1736-1745

Christian Hagmeier      1745-1758

Johann Heinrich Albrecht        1758-1790

Ernst Carl Friedrich Wintter    1790-1818

Herkules David Kröner   1818-1841

Friedrich Öffinger      1843-1862

Carl August Wilhelm Krauß       1863-1878

Albert Wetzel           1879-1887

Carl Schieber           1887-1903

Wilhelm Heller          1904-1925

Ernst Kürschner         1928-1949

Wilhelm Bracht          1949-1951

Jakob Rivinius          1951-1954

Helmut Bauer            1954-1964

Karl Poth               1964-1965

Dr. Helmut Lang         1965-1971

Hans Wörner             1971-heute

 

Leiter der Schule

 

1581-1609 Hans Müller

1609-1623 Daniel Sommer

1623-1653 Hans Söll und Hans Glockher

1653-1684 Georg Söll

1684-1720 Paul Nüßle

1720-1734 Johann Kaspar Wagner

1734-1767 Hans Jörg Elbe

1767-1785 Johann Ludwig Wagner

1785-1843 Johann Jakob Nüßle

 

114

 

1843-1847  Christian Friedrich Bühler

1847-1867  Jakob Grauer

1867-1880  Karl Wander

1880-1886  Johann Friedrich Kuppinger

1886-1900  Christian Weiler

1900-1908  Ulrich Nestle

1909-1925  Karl Fritz

1926-1961  August Wild

1962-1969  Fritz Kilgus1970-1973  Peter Panteleit

1974       Margarete Schwarzenbolz

1975-1977  Christiane Girrulat

seit 1.1.1978  Nachbarschaftsschule Merklingen-Machtolsheim

ab 26.10.79  Lothar Würker

 

Schultheißen

 

1601-1605 Hans Müller

1605-1610 Hans Bückle

1610-1617 Georg Griesinger

1617-1654 Jerg Deinsinger

1654-1687 Jakob Harscher

1687-1706 Philipp Burkhard

1706-1726 Jörg Maier

1726-1750 Christoph Jacob Wagner

1750-1793 Johannes Kölle

1793-1825 Georg Hetzler

1825-1849 Philipp Jakob Kalteise

1849-1858 Ruprecht Nüßle

1858-1882 Johannes Jakob

1882-1912 Johann Jakob Fink

6.11.1912-3.6.1932      Johannes Nägele, ab 1930 mit dem Titel "Bürgermeister"

1.7.32-29.9.32          Ludwig Steeb

11.3.33-13.6.45         Christian Erz

14.6.45-17.3.54         Christian Mändle

18.3.54-heute           Georg Schmid, ab 1.1.1975 Ortsvorsteher

 

115

 

Besoldung des Pfarrers, des Schulmeisters und des Schultheißen um 1830

 

Pfarrer:

 

Geld vom Kameralamt                     43 Gulden       22 Kreuzer

Naturalien vom Kameralamt:             

51 Scheffel Dinkel                      178             30

25 Scheffel Haber                       68              45

Stroh 240 Stück und 6 Säcke Brühets     30              36

3/4 Klafter Holz und 75 Büscheln        3               49

 

Feste Bezüge                            325 Gulden      2 Kreuzer

 

Veränderliche Teile des Einkommens:

Gärten: 1/4 Gras- und Baumgarten

samt Küchengarten                       1 Gulden

Zehenten und Gülten

großer Fruchtzehnten von 5 Morgen       1               27 Kreuzer

Heu-Zehenten aus 60 Morgen              60

Kleiner Zehenten:

Flachs                                  90

Kraut                                   10

Rüben                                   30

Kartoffeln                              20

Klee und Esparsette                     30

Obst und Zwetschgen                     3

1 Stück alte Gült-Henne                                 8

 

                                        246 Gulden      35 Kreuzer

 

von der Gemeinde:

Viehweide:

4 Freischafe                            3 Gulden

4 Pferchnächte                          8

Gemeindeteile                           2               12 Kreuzer

sonstige Zuwendungen:

für Registerführung und Visitationen    3 Gulden        45 Kreuzer

für Taufen, Hochzeiten, Leichen         30

Geldgeschenk an Neujahr                 16

 

                                        62 Gulden       57 Kreuzer

 

Gesamtvergütung jährlich 634 Gulden 34 Kreuzer (60 Kreuzer = 1 Gulden)

 

116

 

Schulmeister, zugleich Mesner und Organist

 

1. Geld

vom Kameralamt Blaubeuren               10 G

vom Heiligen dahier                     10

vom Heiligen für Sonntagsschule         35

von der Gemeindekasse für

Sonntagsschule                          1       20 Kr

vom Heiligen für Organistentätigkeit    6       30

von der Gemeindekasse als Organist      1       30

Schulgeld für 94 Kinder                 18      48

von der Gemeindekasse als

Entschädigung für Weihnachtsgesang      8               91 G 08 Kr

 

2. Naturalien

9 Scheffel Dinkel vom Heiligen          39 G

4 Scheffel Dinkel von der Gemeinde      18

4 Scheffel Haber von der Gemeinde       10      48 Kr

von den Ortsbürgern 77 Meßnerlaibe      19      15

Gütergenuß: Kirchhof bei der Kirche     1       24 Kr

Gemeindeacker auf Steinelau                     36

Wiese im Hämpfertal                             30

Krautland auf Warth                     1

Holz und Reisigbüschel                  2               92 G 33 Kr

 

3. Sonstige Einkünfte

für 31 Taufen a) 1 Laib Brot            7 G     45 Kr

für 9 große Leichen                     7       12

für 18 Kinderleichen                    4       30

für das Läuten bei 27 Leichen           6       45

für 5 Hochzeiten                        3       48      30 G

 

Gesamtbesoldung des Schulmeisters

einschl. seiner Tätigkeit als

Mesner und Organist                                     213 G 41 Kr

 

Daneben erhielt der Schulmeister für das Heizen der Schule 2 Klafter gewöhnliches Birkenholz und 200 Büschel Reisig.

 

117

 

 

Schultheißen

 

Grundvergütung jährlich                 50 Gulden

Zuschlag für Ratschreibertätigkeit      12

Zuschlag für sonstige Nebentätigkeiten  5

 

Gesamtvergütung jährlich                67 Gulden

 

 

Inventar bei einer Eheschließung um 1830

 

Vor einer Heirat wurde genau aufgenommen, was die Ehepartner in die Ehe einbringen. Hier eine Aufstellung aus dem Jahre 1830:

 

Manns Beibringen:

Bargeld                                 0 Gulden

Silber:

1 silberne Sackuhr                      4

1 silberbeschlagene Tabakspfeife        4

Bücher:

1 Bibel                                 1

1 Gesangbuch                            1

Manns Kleider:

1 blau tuchenen Rock                    8

1 blau tuchenes Wammes                  4

1 rot tuchenes Leible                   3

1 schwarzes Manchesterwammes            1       12 Kreuzer

1 Paar hirschlederne Hosen              8

1 weiteres Paar, älter                  4

1 Hut                                   1       12

1 Samtkappe                             2

1 schwarze baumwollene Kappe                    20

1 seidenes Halstuch                     2

1 baumwollenes Halstuch                         15

1 Unterleible                                   30

8 neue Hemden                           8

8 gebrauchte Hemden                     4

8 Paar Strümpfe                         4

1 Paar Stiefel                          3

1 Paar Schuhe                           1       12

 

118

 

Bettgewand:

1 Pfulben                               4

1 Pfulbenzieche                         1       30

3 Säcke                                 3

Schreinerwerk:

1 Kleiderkasten                         4

1 Truhe                                 3

 

Weibs Beibringen:

Silber:

1 silberner Anhänger                            30 Kreuzer

1 silberner Ring                                30

Bücher:

1 Gesangbuch                            1 Gulden

1 Bibel                                 1

Weibs Kleider:

6 schwarze Röck                         18

8 grüne Röck                            32

2 Kutten                                6

2 tuchene Mieder                        4

2 zeugene Mieder                        2       30

3 leinene Mieder                        1

14 Schürzen                             8       24

14 Hauben                               8       24

6 seidene Halstücher                    4       48

2 baumwollene Halstücher                        30

14 neue Hemden                          14

8 gebrauchte Hemden                     4

10 Strümpfe                             15

1 Leible                                        40

8 Goller                                1       4

8 Fürstecker                                    32

2 Paar neue Schuhe                      2

1 Paar Schuhe                                   24

Bettgewand:

1 Oberbett                              8

2 Unterbett                             14

1 Pfulben                               4

2 Kissen                                4

1 Strohsack                             1

 

119

 

Leinwand:

5 neue Bettziechen                      20

5 Pfulbenziechen                        10

5 Paar Kissenziechen                    10

5 Tischtücher                           5

4 Säcke                                 4

1 Umhang                                1

 

Weibs Beibringen Schreinerwerk:

1 Kleiderkasten                         8 Gulden Kreuzer

1 gehimmelte Bettlade                   5

1 Siedel                                4

1 Küchenkasten                          4

1 Lehnstuhl                                     30

1 Hechelstuhl samt Hecheln              2

1 Schwingstock                                  8

1 Brech                                         48

Insgemein:

1 Spinnrad                              1 

2 Häspel                                        48

1 Kunkel                                        45

1 alte Kunkel                                   8

6 Büscheln Flachs                       6

1 Kuh                                   30

 

                                        270 Gulden 23 Kreuzer

 

 

 

Vereinbarung

 

über die Eingliederung der Gemeinde Machtolsheim in die Stadt Laichingen, beide Alb-Donau-Kreis

 

In Anbetracht der wachsenden nachbarschaftlichen Verflechtungen und zur Verwirklichung der Ziele der Gemeindereform sowie im Bewußtsein der Verantwortung gegenüber der Einwohnerschaft der Gemeinde Machtolsheim und der Stadt Laichingen, wie auch in der Überzeugung, damit dem öffentlichen Wohl beider Gemeinden am besten zu dienen, schliegen die Stadt Laichingen vertreten durch Bürgermeister Wurz - und die Gemeinde Machtolsheim - vertreten durch Bürgermeister Schmid - nach Anhörung der in der Gemeinde Machtolsheim wohnhaften Bürger am 20. Januar 1974 sowie gemäß den Beschlüssen des Gemeinderats der Stadt Laichingen vom 1. April 1974 und des Gemeinderats der Gemeinde Machtolsheim vom 28. März 1974 auf Grund von §8 Abs. 2 und §9 Abs. 1 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg vom 25. Juli 1955 - Ges. Bl. S. 129 - folgende Vereinbarung:

 

§ 1 Eingliederung und Bezeichnung der eingegliederten Gemeinde 

(1) Die Gemeinde Machtolsheim wird in die Stadt Laichingen eingegliedert.

(2) Die eingegliederte Gemeinde bildet einen Stadtteil der Stadt Laichingen.

Dieser führt die Bezeichnung "Laichingen, Stadtteil Machtolsheim".

(3) Die Gemarkung Machtolsheim soll bestehen bleiben.

 

§ 2 Wahrung der Eigenart 

(1) Der bisherige Ortscharakter und das örtliche Brauchtum der Gemeinde Machtolsheim sollen erhalten bleiben. Ihr kulturelles Eigenleben soll sich auch weiterhin frei und ungehindert entfalten können.

(2) Die Stadt Laichingen wird alle im Stadtteil Machtolsheim vorhandenen caritativen, kirchlichen, kulturellen, sozialen, sportlichen und sonstigen Vereinigungen in gleicher Weise fördern und unterstützen, wie die entsprechenden Vereinigungen im bisherigen Stadtgebiet Laichingen. Die Zuschüsse dürfen jedoch nicht geringer sein als bisher.

 

§ 3 Rechtsnachfolge 

Die Stadt Laichingen tritt als Gesamtrechtsnachfolgerin in alle privaten und öffentlichen Rechtsverhältnisse der Gemeinde Machtolsheim ein.

 

§ 4 Rechte und Pflichten der Einwohner und Bürger 

(1) Die Bürger der Gemeinde Machtolsheim werden mit der Eingliederung Bürger der Stadt Laichingen. Den Einwohnern, die am Tage der Eingliederung das Bürgerrecht in der Gemeinde Machtolsheim noch nicht erworben haben, wird die Dauer des Wohnens in der Gemeinde Machtolsheim auf die Dauer des Wohnens in der Stadt Laichingen angerechnet.

(2) Die Bürger und die Einwohner der Gemeinde Machtolsheim haben nach der Eingliederung die gleichen Rechte und Pflichten wie die in dem vor der Eingliederung bestehenden Gebiet der Stadt Laichingen wohnenden Bürger und Einwohner. § 9 bleibt unberührt.

 

§ 5 Übernahme der Bediensteten

(1) Für die Übernahme der Beamten gelten die gesetzlichen Bestimmungen. § 7 Abs. 3 bleibt unberührt.

(2) Die Angestellten und Arbeiter der Gemeinde Machtolsheim werden mit allen Rechten und Anwartschaften aus ihrem bisherigen Dienstverhältnis in den Dienst der Stadt Laichingen übernommen. Die Verwendung soll nach Möglichkeit weiterhin am bisherigen Arbeitsplatz im Stadtteil Machtolsheim erfolgen.

 

§ 6 Ortschaftsverfassung 

(1) Die Stadt Laichingen verpflichtet sich, für den Stadtteil Machtolsheim die Ortschaftsverfassung im Sinne der §§ 76a-76g der Gemeindeordnung einzuführen.

(2) In der Hauptsatzung ist zu bestimmen, daß 

1. die Zahl der Ortschaftsräte einschließlich des Ortsvorstehers 11 beträgt,

2. erstmals nach Einrichtung der Ortschaft Machtolsheim die bisherigen Gemeinderäte der Gemeinde Machtolsheim die Ortschaftsräte sind,

3. der Ortsvorsteher, sofern er nicht Gemeinderat ist, an den Verhandlungen des Gemeinderats mit beratender Stimme teilnehmen kann,

4. eine örtliche Verwaltung eingerichtet wird.

 

§ 7 Örtliche Verwaltung

(1) Das bisherige Bürgermeisteramt in Machtolsheim bildet künftig die örtliche  Verwaltung der Ortschaft Machtolsheim.

(2) Die örtliche Verwaltung ist zugleich eine Geschäftsstelle der Stadtverwaltung Laichingen und erhält als solche alle Zuständigkeiten, die für eine zweckmäßige und bürgernahe Betreuung der Einwohner des Stadtteiles Machtolsheim notwendig sind. Diese Geschäftsstelle ist ständig funktionsfähig zu besetzen.

(3) Das Amt des Ortsvorstehers wird dem bisherigen Bürgermeister Schmid bis  zum Ablauf seiner Amtszeit übertragen. Wird er anschließend als Ortsvorsteher nicht wiedergewählt oder tritt er nicht in den Ruhestand, so ist die Stadt Laichingen bereit, ihn unter bestmöglicher Wahrung seines Besitzstandes in ihre Dienste zu übernehmen.

 

§ 8 Unechte Teilortswahl, Vertretung des Stadtteils im Gemeinderat der Stadt Laichingen

 

122

 

(1) Die Stadt Laichingen wird durch entsprechende Ausgestaltung ihrer Hauptsatzung der bisherigen Gemeinde Machtolsheim ab der nächsten regelmäßigen Gemeinderatswahl im Wege der unechten Teilortswahl eine dem Bevölkerungsanteil angemessene Vertretung im Gemeinderat gewährleisten. Die Verteilung der Sitze im Gemeinderat auf die verschiedenen Wohnbezirke wird vor jeder regelmäßigen Gemeinderatswahl geprüft und erforderlichenfalls berichtigt werden.

(2) Die unechte Teilortswahl kann durch Änderung der Hauptsatzung wieder aufgehoben werden, frühestens jedoch zu den regelmäßigen Gemeinderatswahlen im Jahr 1989 und nach Anhörung des Ortschaftsrats.

(3) Dem Gemeinderat der Stadt Laichingen gehören bis zur nächsten regelmäßigen Gemeinderatswahl 3 Mitglieder des Gemeinderats der eingegliederten Gemeinde Machtolsheim an, die vor dem Eintritt der Rechtswirksamkeit dieser Vereinbarung vom Gemeinderat Machtolsheim bestimmt werden.

 

§ 9 Ortsrecht 

(1) Im Stadtteil Machtolsheim bleibt das bisherige Ortsrecht der Gemeinde Machtolsheim aufrecht erhalten, soweit es nicht mit Inkrafttreten dieser Vereinbarung oder später durch das Recht der Stadt Laichingen ersetzt wird oder aus anderen Gründen außer Kraft tritt. Das Ortsrecht ist spätestens innerhalb von 5 Jahren nach Inkrafttreten dieser Vereinbarung im gesamten Stadtgebiet zu vereinheitlichen. Der Ortschaftsrat kann jederzeit beantragen, daß im Stadtteil Machtolsheim schon vorher das Ortsrecht der Stadt Laichingen eingeführt wird.

(2) In Kraft bleiben vorläufig insbesondere folgende Rechtsvorschriften der bisher selbständigen Gemeinde Machtolsheim:

a) Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Schlachttier- und Fleischbeschau, die Trichinenschau und die unschädliche Beseitigung untauglichen Fleisches (Fleischbeschaugebührensatzung),

b) Satzung über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen,

c) Satzung über die öffentliche Entwässerung,

d) Satzung über die Gebührenerhebung für die Vatertierhaltung (Deckgebührensatzung) und

e) Satzung über den Anschluß an die öffentliche Wasserversorgung und über die Abgabe von Wasser (Wasserabgabesatzung).

(3) Folgende Rechtsvorschriften der Stadt Laichingen werden mit dem Inkrafttreten dieser Vereinbarung im Stadtteil Machtolsheim in Kraft gesetzt:

a) Hauptsatzung, 

b) Satzung über die Form der öffentlichen Bekanntmachung,

 

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c) Satzung über die Entschädigung ehrenamtlich tätiger Bürger, 

d) Satzung über die Erhebung von Verwaltungsgebühren (Verwaltungsgebührenordnung),

e) Satzung über die Erhebung einer Feuerwehrabgabe,

f) Satzung über die öffentliche Müllabfuhr,

g) Polizeiverordnung über die Verpflichtung der Straßenanlieger zum Reinigen, Schneeräumen und Bestreuen der Gehwege.

(4) Die Realsteuerhebesätze der Stadt Laichingen gelten im Stadtteil Machtolsheim mit Wirkung vom 1. Januar 1975 an.

(5) Die Bebauungspläne der Gemeinde Machtolsheim gelten weiter.

 

§ 10 Vergabe von Lieferungen und Leistungen 

Bei der Vergabe von Lieferungen und Leistungen werden die im Stadtteil Machtolsheim wohnenden Gewerbetreibenden den Gewerbetreibenden im bisherigen Gebiet der Stadt Laichingen gleichgestellt.

 

§ 11 Erfüllung örtlicher Aufgaben 

(1) Die Stadt Laichingen ist vom Tage des Inkrafttretens dieser Vereinbarung an gesetzlich verpflichtet, alle im Stadtteil Machtolsheim bereits bestehenden und neu anfallenden gemeindlichen Aufgaben zu erfüllen.

(2) Die Stadt Laichingen verpflichtet sich, zur Finanzierung der nachstehend  aufgeführten Vorhaben die in der bisherigen Gemeinde Machtolsheim vorhandenen frei verfügbaren Finanzmittel (Investitionsrate) mit ca. 250000 DM zu verwenden. Das gleiche gilt für Beiträge und Zuschüsse, die von dritter Seite für diese Vorhaben gewährt werden. Ändert sich nach dem Haushaltsjahr 1974 bei der Stadt Laichingen der Betrag, welcher vom Verwaltungshaushalt dem Vermögenshaushalt zugeführt wird, so ändert sich die Investitionsrate für den Stadtteil Machtolsheim in demselben Verhältnis. Unberücksichtigt bleibt der Betrag, um den sich der o.g. Zuführungsbetrag nach einer etwaigen weiteren Eingemeindung im ersten Jahr erhöht.

Im Jahr 1975 wird als zusätzliche Investitionsrate die staatliche Förderung gemäß § 36a Abs. 1 FAG in Höhe von ca. 90000 DM zur Verfügung gestellt.

Es handelt sich im einzelnen um folgende Vorhaben, wobei die Reihenfolge der Verwirklichung vom Gemeinderat auf Vorschlag des Ortschaftsrates bestimmt wird:

1. Erweiterung der Kläranlage - Restfinanzierung, 

2. Ausbau der Maiergasse, des Birkenweges und der Bergstraße,

3. Einrichtung eines Schlachthauses,

4. Ausbau Adlerstraße, Drosselweg, Steiglestraße, Fasanenweg,

5. Restkanalisierung Lindenstraße und Schulstraße,

 

126

 

6. Erschließung von Baugelände,

7. Erneuerung der Straßenbeleuchtung in der Hauptstraße,

8. Neubau einer Turnhalle.

Die Grundsätze einer geordneten Wirtschaftsführung sind zu beachten.

(3) Die Stadt Laichingen verpflichtet sich, im Stadtteil Machtolsheim entsprechend dem jeweiligen Bedarf Bauplätze für gewerbliche Nutzung und für den Wohnungsbau auszuweisen und zu erschließen.

(4) Erlöse aus dem Verkauf von Grundstücken, die am Tag der Eingliederung Eigentum der Gemeinde Machtolsheim waren, werden für Investitionen im Stadtteil Machtolsheim verwendet, soweit nach Anhörung des Ortschaftsrates nichts anderes bestimmt wird.

(5) Abs. 4 gilt entsprechend für Einnahmen, die aus der Beteiligung an der Heidehof-Camping GmbH und der Verpachtung des Grundstücks Flst. Nr. 2432 der Markung Machtolsheim (Campingplatz) resultieren. Verluste gehen zu Lasten der allgemeinen Investitionsrate (Abs. 2).

 

§ 12 Laufendes 

(1) Die Stadt Laichingen wird die Grundschule im Stadtteil Machtolsheim erhalten,

a) solange dies gesetzlich möglich ist und

b) soweit die Disposition hierüber kommunaler Selbstverwaltung obliegt und

c) solange es die Mehrheit der Erziehungsberechtigten wünscht.

(2) Die Stadt Laichingen wird sich dafür verwenden, daß eine Verbesserung der  Verkehrsverbindungen von und zum Stadtteil Machtolsheim beim Personenverkehr und bei der Schülerbeförderung erreicht wird. Sollte eine Beförderung der Grundschüler in Frage kommen, so ist sie mit Omnibussen von Schulhaus zu Schulhaus durchzuführen.

(3) Die Regelung der Vertretungsbefugnis der Stadt Laichingen in der Heidehof-Camping GmbH wird dem Ortschaftsrat übertragen.

(4) Der kirchlich geführte Kindergarten wird im bisherigen Umfang unterstützt.

(5) Der Fleischbeschaubezirk Machtolsheim bleibt erhalten, soweit nicht veterinärpolizeiliche Gründe entgegenstehen.

(6) Die Freiwillige Feuerwehr Machtolsheim wird als besondere Abteilung der Freiwilligen Feuerwehr Laichingen geführt.

(7) Der bisherige Friedhof im Stadtteil Machtolsheim bleibt auch nach der Anlegung eines neuen Friedhofs erhalten.

(8) Den berechtigten Belangen der Landwirtschaft (z.B. Vatertierhaltung,  künstliche Besamung, Ausbau und Unterhaltung der Feldwege, Verbesserung der Agrarstruktur) wird weiterhin Rechnung getragen.

 

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(9) Die Stadt Laichingen wird für das Weiterbestehen eines selbständigen Jagdbezirks Machtolsheim im bisherigen Umfang eintreten und die erforderliche Teilung des kraft Gesetzes entstehenden gemeinschaftlichen Jagdbezirks betreiben. Die Jagdverpachtung wird dem Ortschaftsrat von Machtolsheim übertragen.

(10) Das archivwürdige Schriftgut der Gemeinde Machtolsheim wird in einer besonderen Abteilung des Archivs der Stadt Laichingen aufbewahrt.

       

§ 13 Abgrenzung der Vertragswirkungen

Unbeschadet der §§ 3 und 4 erwerben Dritte aus dieser Vereinbarung kein unmittelbares Recht.

       

§ 14 Regelung von Streitigkeiten

(1) Vorstehende Vereinbarung wird auf der Grundlage der Gleichberechtigung und der Vertragstreue getroffen. Auftretende Fragen sollen in diesem Geist gütlich geklärt werden.

(2) Bei Streitigkeiten über diese Vereinbarung wird die bisherige Gemeinde Machtolsheim durch eine uom jeweiligen Ortschaftsrat zu bestimmende Person vertreten. Besteht kein Ortschaftsrat mehr, so kommt die Vertretungsbefugnis den zuletztgewählten Ortschaftsräten zu. Dieses Vertretungsrecht endet am 31. Dezember 1990.

 

§ 15 Inkrafttreten

Diese Vereinbarung tritt am 1. Januar 1975 in Kraft, sofern nicht die obere Rechtsaufsichtsbehörde bei der Genehmigung einen anderen Tag festsetzt.

 

Laichingen, den 2. April 1974

Wurz

Bürgermeister

 

Machtolsheim, den 2. April 1974 

Schmid

Bürgermeister

 

 

 

Der erste Schritt zur Selbständigkeit

 

Die im 17. Jahrhundert allmählich einsetzende Humanisierung von Verwaltung und Justiz, die Pflege des Schul- und Unterrichtswesens und die religiöse Toleranz vermittelten der Bevölkerung Württembergs ein neues Selbstbewußtsein. Um so mehr ärgerten sich die Machtolsheimer über die Tatsache, daß sie ihren Schultheiß nicht selbst wählen durften. Im Gegensatz zu den umliegenden württembergischen Ortschaften wurde der Schultheiß in Machtolsheim vom Kloster in Blaubeuren ausgewählt und eingesetzt. Das Kloster berief sich dabei auf einen Vertrag, der 1430 abgeschlossen worden war.

 

Der 1687 vom Kloster eingesetzte Amtmann und Schultheiß Philipp Burkhard geriet darüber mit dem Kloster in einen heftigen Streit, in dessen Verlauf er vom Klosterverwalter als "verdorbener, abgelebter und halb verstorbener Mann" beschimpft wurde. Gleichwohl verdanken ihm die Machtolsheimer die freie Wahl ihres Schultheißen. Wie es damit zugegangen ist, schildert der folgende Brief des Klosterverwalters vom Juli 1750, als die Klosterverwaltung die Wahl des Maiers Johannes Kölle nicht mehr anerkennen wollte:

 

"Da der bisherige Schultheiß Johann Georg Wagner in dem klösterlichen Flecken Machtolsheim vorgestern abend gestorben, und mit Ersetzung dasigen Schultheißenamts eine besondere Beschaffenheit gegen denen übrigen klösterlichen Amtsorten hat, so solle solches unterthänigst berichten: Kraft anliegendem Extractus des Machtolsheimer Fleckengerechtigkeitsbuches  de anno 1710, das nach dem älteren de anno 1501 renoviert worden, hat das Kloster vermög eines anno 1430 zwischen dem Kloster und dem Flecken Machtolsheim errichteten Vertrages einen Amtmann zu setzen und zu erwählen, welcher dem Kloster vorab und danach dem Gericht schwören soll, gleich und gemein zu sein, als sich gebührt. Es mag sich auch das Kloster seinen Amtmann nehmen innerhalb oder außerhalb des Gerichts, wo es will. Jedoch sofern kein Richter zum Amtmann genommen wird, geschehe es mit der Richter Willen.

 

In Nachschlagung der Akte habe ich gefunden, daß der letzte verstorbene Schultheiß J. G. Wagner anno 1725, und dessen Vorgänger Georg Maier anno 1709 vermög vorhandener Protocolle von der Bürgerschaft erwählt worden sind. Laut hochfürstlichen Befehl ist die Wahl de anno 1709 gnädigst ratifiziert worden, wegen der von anno 1725 ist aber von meinem Amtsvorgänger keine Ratifikation eingeholt worden, sondern der per majora erwählte Schultheiß J. G. Wagner ist von dem Klosterverwalter Eccard, wie in anderen klösterlichen Orten gleichbalden confirmiert und beeidigt worden.

 

 99

 

 Wie wohl nur aus den Akten zu ersehen ist, hat der Klosterverwalter erst anno  1730 in Erfahrung gebracht, daß die Ersetzung eines Amtmanns zu Machtolsheim dem Kloster competire. Und so mag es auch bei der Schultheißenwahl anno 1709 ergangen sein. Der damals zwischen allhierigem Vogtamt und der Klosterverwaltung obgewaltete Streit, da nämlich ein Vogt zu Blaubeuren der Schultheißenwahl zu Machtolsheim hat mit anwohnen wollen, gleichbalden seinen Endschatt erreicht haben würde. Wie es aber vor der Zeit mit Ersetzung eines Schultheißen zu Machtolsheim gehalten worden ist, konnte wegen Mangel der Akten nicht in Erfahrung gebracht werden. Die wegen Ersetzung eines Schultheißen anno 1703 vorgenommenen Verhör Protokolle des damaligen Philipp Burkhard, welcher anno 1687 zum Schultheißenamt kommen ist, wollte sich wegen "schwachen Verstandes" nicht mehr erinnern wie es damit zugegangen, außer daß man den Richter befragt hat.

 

Und von dem Burkhard bis auf den Maier wurde wegen obgemeldetem Streit zwischen dem Vogt und dem Klosteramt keine Schultheißenwahl vorgenommen. Ob nun Euer hochfürstlicher Durchlaucht das dem Kloster competirende Ius  wieder in Gang bringen wollen, oder selbiger durch die Bürgerschaft wählen zu lassen, solle in Untertänigkeit gewärtigen und schließlich untertänigst melden, daß ein Schultheiß zu Machtolsheim von der Klosterverwaltung jährlich an Besoldung zu empfangen hat: 6 fl. 40x und NeuJahrs Geld 1 fl. 36x von dem Flecken aber außer dem reglementmäßigen Taglohn an Besoldung oder Warttgeld durchaus 0

In tiefster Ehrfurcht, der Klosterverwalter G. Kapff."

 

Zwar liegt die Antwort des Fürsten auf diesen Brief nicht vor, doch die Gemeinde Machtolsheim und der um seine Wahlanerkennung bemühte Johannes Kölle weisen einen Brief des Herzogs von 1710 vor, mit folgendem inhalt:

 

"Von Gottes Gnaden, Eberhard Ludwig, Herzog zu Württemberg.

Unseren Gruß zuvor, würdiger Getreuer!

 Wir haben aus Eurem untertänigen Bericht und beigelegtem Protokoll, die  Wahl eines neuen Schultheißen und Anwalds zu Machtolsheim den 22. Februar 1709 betreffend, das Schultheißenamt für Georg Maier und den Anwaldsdienst für Johann Georg Wagner, welche die Majora gehabt, auch gnädigste Ratifikation zuerkannt worden, gnädigst ersehen.

 Gleichwie wir nun solche beide Dienst-Ersetzung hiermit gnädigst ratfizieren  und obgemeldte beide in ihrem officius confirmieren, zweifeln wir nicht daran, daß dieselben ihren Pflichten gemäß des Klosters Interesse befördern und sich in  ihrem Dienste treu und fleißig erweisen werden. Als solltest Du, der Verwalter, ihnen diese unsere Resolution eröffnen.

 

Und nachdem wir vor unnötig halten, daß ein Prälat bei dergleichen Actus fürohin beiwohnen, so habt ihr, der Prälat, falls ein solches nicht von vielen Jahren her üblich gewesen, Euch in das künftige, bei dergleichen allein den Staatsbeamten zukommende Verrichtung, nicht mehr einzumischen. Diesen Actum aber Du, der Klosterverwalter allein verrichten und das nötige dabei zu observieren. Daran besehet unsere Meinung und würde obliegen Euch mit Gnaden gewogen."

 Stuttgart, den 25. Januar 1710 

 

Mit der Anerkennung des von der Bürgerschaft gewählten Johannes Kölle, hat das neue Recht noch eine letzte Bewährungsprobe zu bestehen. Nach 40 jähriger Amtszeit bittet der Schultheiß Johannes Kölle im Jahre 1792 den Herzog um einen Amtsgehilfen, den er auf Grund seines Alters und aus Sorge um das Wohl der Gemeinde als würdigen Nachfolger einarbeiten will:

 

 "Euer herzoglichen Durchlaucht habe ich meinem vom 16. November 1750 unterthänigst eingesandten Exhibito untertänigst gebeten, mir die damals erledigt gewesene Schultheißenstelle allhiergnädigst anzuvertrauen, und höchst dieselbe haben gnädigst geruht, mir in meinem untertänigsten Gesuch huldreichst zu willfahren und mich in dem hiesigen Flecken zum Schultheißen zu nehmen. Nun bin ich in einem Alter von 73 Jahren und merke an mir eine weit größere Abnahme an Leibes- als an Geisteskräften, welches eine natürliche Folge der großen Beschwerlichkeiten ist, die mein Körper durch die beschwerliche Arbeit in meiner 32 Jahre lang geführten starken Haushaltung, durch die fast alljährlichen Reisen an den Rhein um Rheinwein aufzukaufen und durch die vielen Gänge, welche ich wegen meines um über 41 Jahre lang führenden Amts machen mußte, ausgestanden hat, so daß es ein Wunder ist, daß die Kräfte meines Körpers nicht längst aufgezehrt sind.

 

Meine Verstands- und Geisteskräfte haben weniger abgenommen, indem ich  hier noch von allem, was mir vorkommt deutliche Berichte machen und darüber nachdenken kann, auch mich des längst vergangenen noch wohl erinnern kann. Bei diesen Umständen wird mir meine Amtsführung nur in solchen Verrichtungen beschwerlich, welche mehr Leibes- als Seelenkräfte erfordern, hingegen würde es mir fast unerträglich sein, wenn ich mein Amt ganz niederlegen, und mich auf einmal ohne alle Beschäftigung ganz allein in meinem Haus aufhalten müßte.

 

 101

 

Um hier einen Mittelweg zu haben, erkühne ich mich in tiefster Ehrfurcht, Euer herzoglichen Durchlaucht ganz untertänigst zu bitten, daß höchst dieselbe mir den Rathsverwandten Jacob Dußler als meinen Amtsgehilfen und künftigen Nachfolger nach dem höchstdenselben Lagerbuchmäßig zuständigen Recht zu adjunieren gnädigst geruhen möchten, damit derselbe mich in beschwerlichen Amtsverrichtungen unterstützen, und ich auf diese Art als Schultheiß absterben könnte. Ich würde mir dabei alle Mühe geben, den Jacob Dußler in sein künftiges Amt einzuleiten und ihm die Rechte und Gerechtigkeiten gnädigster Herrschaft in dem hiesigen Flecken selbst, und, was ich sonst in der Absicht der Geschäfte aus meiner vieljährigen Erfahrung weiß, bekannt zu machen.

 

Ich darf zugleich untertänigst versichern, daß weder Eigennützigkeit, noch besondere Begünstigung aus Nebenabsichten der Grund ist, warum ich den Jacob Dußler als meinen Gehilfen und Amtsnachfolger untertänigst vorschlage, sondern ich kenne ihn als einen Mann, der ein gutes Christentum, einen untadelhaften Lebenswandel hat. Der einen guten Verstand und Fertigkeit im Lesen und Schreiben besitzt, der beredt und ohne Menschenfurcht ist und besonders seitdem er im Rat gekommen, eine rühmliche Begierde gezeigt hat, von dem was ihm zu Wissen nötig wär, Einsicht zu bekommen, so daß er in wenigen Jahren die nötige Tüchtigkeit zu dem Schultheißenamt sich erwerben wird.

 

Die gnädigste Willfahrung meiner untertänigsten Bitte werde ich als die angesehenste Belohnung meiner vieljährigen Dienste mit untertänigstem Dank erkennen, und in tiefster Erfurcht ersterben.

Johannes Kölle"

 

 Diesem Schreiben fügte der Klosterverwalter einen Auszug aus dem Lagerbuch  mit dem Vertrag von 1430 bei, der das Recht des Klosters für die Ernennung eines Schultheißen enthält. Die Antwort des Herzogs war eindeutig. Seine Weisung wurde der Gemeinde in  einem Brief des Klosterverwalters mitgeteilt:

 

 "Es erginge aber hierauf am 31. Januar 1793 der gnädigste Befehl dahin, daß es der herzogliche Kirchenrat nicht nützlich finde, auf die vorgeschlagene Adjunction einzugehen, sondern man wolle gnädigst, daß ein wirklicher Veränderungsfall abgewartet werden soll wo man dann zwar gnädigst gestatte, daß durch eine Wahl der Bürgerschaft ein neuer Schultheiß auf gnädigste Ratification gewählt werde: Es solle aber der Bürgerschaft bedeutet werden, daß solches unter Vorbehalt gnädigster Herrschaft zustehendes Recht, mithin ohne Nachteil der in Lagerbüchern vorhandener Rechte des Klosters geschehe." Die daraufhin abgehaltene Wahl bringt eine große Enttäuschung für den Klosterverwalter und den bisherigen Amtmann Johannes Kölle.

 

Der bevorzugte Nachfolger Jacob Dußler unterliegt mit 2 Stimmen dem Kandidaten Georg Hetzler, der 46 Stimmen erhält. Der Klosterverwalter versucht ein letztes Mal, seinen eigenen Favoriten ins Amt zu setzen, indem er dem herzoglichen Kirchenrat vorschlägt, bei Georg Hetzler die Stimmen der Neffen, der "geschwistrigen Kinder" und seine sich selbstgegebene Stimme abzuziehen: "Damit verblieben für Georg Hetzler 37 Voti, für Jacob Dußler hingegen 43, womit die Majora bei Jacob Dußler wäre."

 

Mit der Anerkennung von Georg Hetzler als neuen Schultheiß lehnt der Herzog dieses Ansinnen ab, und die freie Wahl eines Schultheißen bleibt für die nächsten 175 Jahre unangetastet.

 

1974 entscheiden sich die Bürger von Machtolsheim für die Eingemeindung  nach Laichingen. Warum sie nicht eine neue Selbständigkeit gemeinsam mit der Gemeinde Merklingen gewagt haben, darüber könnte folgender Brief von 1609 einen Anhaltspunkt geben:

 

"Die löbliche Reichsstadt Ulm betreffend:

 

 Es hat sich zwischen Kloster Blaubeuren und dem Ehrsamen Rat der Stadt Ulm,  der Obrigkeit halber, darunter der gemeine Fleck Machtolsheim mit ihrer Wegsbestimmung durch Markung Zwing und Bänn, interessiert. Dergestalt ein ohnerörterter Streit, in dem vor vielen Jahren hero beide Flecken Machtolsheim, Kloster, und Merklingen der Herrschaft Ulm, Item Hohenstadt und Gauspach, derem Grafen von Helfenstein zu Wiesensteig zugehörig, mit Verkaufung und Veränderung liegender Güter, in der Waldung uff dem Forst zu hostenland, uff dem haag, item im Gestriet zueinander um die Markung gestritten. Also daß nach und nach, gleichwohl allens von alters her, die Güter bemeldter Orte dermaßen durcheinander zerteilt und zerstreut worden, und weil es ein weiter und großer Bezirk ist, etliche unterschiedliche Namen hat und aneinander grenzen tut, ohne einen gewissen Unterschied, die Weide jeden Ortes.

 

Sonderlich aber, der bemeldten beiden Flecken Machtolsheim und Merklingen Zwing und Bänn gehen, wie weit sich jedes Teil Obrigkeit erstrecke. Denn obwohl die von Merklingen im Namen ihrer Herrschaft Ulm die Obrigkeit etlicher Orte bestreiten wollen, können sie in keinen Akten ihre Berechtigung mit beständigem Grund vorweisen. Hergegen aber haben die Machtolsheimer über Menschengedenken der Einwohner bis zu vorgefallenem Streit ihren Weidgang geführt durch solche Orte und die Wege und Straßen besteint. Item beim Überfahren Ruegung eingezogen, jedoch weder die zu Merklingen noch deren Herrschaften niemals behindert worden. Bis allererst vor etlich Jahren, sich bei meinem Verwalters Vorgänger zugetragen, daß einer von Merklingen, Georg Wegst, und einer von Machtolsheim, Bernhard Kegler, in obgemeldtem Ort, dem Gestriet genannt, einander blutig geschlagen.

 

Daher er, mein Vorgänger, den Vorgenannten von Merklingen der verrichteten Frevel halb, nach Machtolsheim als dem Kloster angehörigen Flecken gefordert. Aber von dem damals gewesenen Amtmann von Merklingen nit gestellt werden wollen, sondern hingegen behauptet, daß die Stadt Ulm die Obrigkeit allda hat. Deswegen gleichergestalt begehrt, im Gegenteil gebührenden Vertrag, in seinen Bezirk nach Merklingen zu stellen. Welches aber er, mein Vorgänger auch nit getan. Deswegen der ohnerörterte Streit anstehen solle.

 

 Weil nun trotz Erscheinen des Verwalters sich abermals ein solcher Cassus begeben, daß zwei zudem, nämlich Hans Meyer und Georg Remler, beide von Merklingen, als sie eines Tages von Wiesensteig der Heimat zugangen, an einem Ort, im Gestriet mit Steinen aneinander gekommen, deshalben gefrevelt, habe ich durch den Schultheißen zu Machtolsheim selbige zur Abtrag daselbsthin mahnen lassen, aber der jetzige Amtmann von Merklingen hat sie zu stellen verweigert.

 

Haben dabei jedoch soviel vermerkt, vom Ehrwürdigen Kloster Blaubeuren jemanden, ebenso Löblichen Rat zu Einnehmung durch Erscheinen gnädig zu ersuchen, und hierzu einen Termin bestimmen möchten, daß der Ehrsame Rat der Stadt Ulm, wie mit Helfenstein wegen Gauspach und Hohenstadt, ein solches nit entgegen sein liegen, sondern zu Abhelfung ohngleichen Verstands, und Fortpflanzung guter Nachbarschaft wohlgeneigt seien.

 

Kloster Blaubeuren. Der Abt

 

Bärbel Erz

 

 

Ein Pfarrer beklagte sich im Jahre 1827.

 

Die Einwohner zeichnen sich durch geistige und sittliche Eigenschaften wenig aus. Wiss- und Lernbegierde sind seltene Tugenden. Fleiß und Arbeitsamkeit sind bei vielen vorherrschend, aber ebenso auch Mißgunst, Eigennutz, Aberglaube und dessen Folgen. Die Ursache ist hauptsächlich in der häuslichen Erziehung sowie im Mangel an Aufsicht der Eltern zu suchen. Der Pfarrer regte die Einrichtung einer Kinderschule an.

 

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Ein langer Prozeß um Weidstetten

 

Daß das hochlöbliche Reichskammergericht in Wetzlar noch zu den Zeiten, als Johann Wolfgang von Goethe wohlbestallter Assessor dort war, unerledigte Prozeßkarten aus uralten Zeiten in Mengen vorweisen konnte, das ist wohl bekannt. Längst waren die ersten Prozeßgegner samt Richtern, Schreibern und Rechtsanwälten friedlich unter dem grünen Rasen versammelt; doch noch immer schwebte oben der Prozeß unentschieden, wurden neue Akten gefüllt, schwerwiegende Argumente vorgebracht. Augenscheine gehalten, Vergleiche erstrebt, Termine anberaumt und - doch nicht erledigt! Die Kosten des Verfahrens wuchsen zu märchenhaften Höhen, die alten und neuen Klienten bluteten, die Advokaten jener Zeit freuten sich; aber der leidige Prozeß ging nie aus, auch wenn die Kosten mehr als einmal den Streitwert beträchtlich überschritten.

 

Daß auch in unserer Gegend solche Fälle vorkamen, das sei heute dargelegt. Es ging dabei freilich um nicht weniger als um eine ganze Markung, um die Felder nämlich, welche schon 861 im Wiesensteiger Stiftungsbrief bei dem Ort Weihstetten genannt sind, das zwischen Hohenstadt und Laichingen liegt. Diese Ortschaft wird später nur noch einmal erwähnt, nämlich als die Brüder Burkard und Konrad "aus sehr vornehmer Familie" 1088 an das Kloster St. Georgen im Schwarzwald 12 Güter auf Markung Weihstetten schenken.

 

 Aber damit erlöschen auch alle sicheren Nachrichten über die Siedlung, bis dann 1653 im alten Laichinger Kaufbuch 2 zu lesen ist: "Lorentz Finckh hat den hoff Auf Weidstetten gleicher gestalten Angenommen für und Umb 49 fl. und solle an solchem Khaufschilling Paar (bar) entrechten 9 fl. und hernachen järlich 10 fl. bezahlen bis zue völliger bezahlung." Lorentz Finck war aus Merklingen gebürtig, aber in Laichingen wohnhaft. Es handelt sich bei dem obgenannten Verkauf um eines der zahllosen Gantverfahren nach dem 30jährigen Krieg. Leider wird der vorhergehende Inhaber des Hofs nicht genannt; er ist wohl in den Kriegswirren nach 1634 umgekommen.

 

Einige dunkle Stellen in Laichinger Urkunden könnten sich auf Weidstetter beziehen, so, wenn z.B. in einer Urkunde über eine Pfründstiftung in St. Alban zu Laichingen 1412 berichtet wird, daß "des Herren Sun" jährlich 7 1/2 Schilling Heller geben werde, oder, wenn 1545 in der Türkensteuerliste zu Laichingen ein Alban Schwenk "uff dem Hof" genannt ist, der 4 fl. 1 Orth Steuer zahlt. - Leider haben sich bisher in den alten Steuer und Lehensbüchern keine weiteren Anhaltspunkte über Bewohner von Weihstetten ergeben außer dem obigen Eintrag im Kaufbuch 2 auf den schon unser Laichinger Geschichtsschreiber Christoph Semle aufmerksam gemacht hat. Die Schicksale der Siedlung Weihstetten werden also ohne weitere Urkunden im dunkel bleiben.

 

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 Markungsmäßig gehörte Weihstetten später ganz zu Laichingen, und es wird hier noch von der "hinteren Gemeinde" gesprochen; doch war bisher nicht nachzuweisen, daß dieser Flurname älter als etwa 1800 ist. Die Markung Weihstetten wurde später einfach als "Unteres Oeschlin" der Laichinger Markung angegliedert, und so spricht das Uracher Weidlagerbuch von 1718 von den zwei Laichinger Markungen: "Hauptmarkung" und "Waidstetter Markung". In der ältesten Schreibweise im Wiesensteiger Stiftungsbrief lautet der Name "Weistetti" später Weihstetten oder auch Weidstetten. Der Volksmund sagt kurzerhand "Woidstette". Sicher war Weihstetten nur eine kleine Siedlung - es fehlte dort das Wasser, weil es nicht wie im Mutterort Laichingen in einem Vulkanmaar gesammelt wurde; aber es ist ein Ort, der noch heute im Denken der Laichinger Einwohner eine große Rolle spielt.

 

Eine ganze Anzahl Sagen spielen um das Waldgelände dort. So soll das Rathaus in Laichingen aus dem Material eines Helfensteinischen Jagdschlosses auf Weihstetten erbaut worden sein, und die alte Oberamtsbeschreibung des Oberamts Blaubeuren weiß gar zu melden, daß sich das Helfensteinische Schloß auf einer späteren Mahd des Lammwirts von Machtolsheim befunden habe. Einige schöne Marksteine mit dem Helfensteiner Wappen sind noch vorhanden.

 

Zwei Gedichte über Laichinger Sagen von dem sehr verdienten Laichinger Chronisten und Weber Tobias Hilsenbeck beschäftigen sich mit dem Edelmann von Weihstetten, der auf einem Schimmel reitend seine verlorenen Schätze sucht, und mit einem schlimmen Vogt auf Weihstetten, den die Laichinger Bürger im Zorn über seine Schandtaten erschlugen und in der "Vogtsgrube" verscharrten, wie heute noch ein Flurstück östlich Laichingen heißt. Der bekannte Weber und Dichter Daniel Mangold, Laichingen, hat sogar ein kleines Schauspiel "Gertrud von Weistetti" geschrieben, das hier schon aufgeführt wurde.

 

 Um diese Markung Weihstetten aber entspann sich ein langer kostspieliger Prozeß zwischen den beiden Nachbargemeinden Laichingen und Machtolsheim, dessen Geschichte uns nun beschäftigen soll. Die Rechtsgrundlage für diesen unheimlichen Prozeß war klar. Wenn auch die Siedlung Weihstetten schon vor dem 30jährigen Krieg zu bestehen fast aufgehört hatte, wie es wahrscheinlich ist, und nur noch der oben genannte Hof übrigblieb, so hatte Laichingen doch unbestritten das Markungsrecht über dieses ganze Gebiet, die Marklosung "Zwing und Bänn". Doch die Menschen und ihre Not sind oft stärker als alle noch so klaren Rechtsverhältnisse.

 

In der Zeit vor dem 30jährigen Krieg, als bei wachsender Bevölkerung und guten wirtschaftlichen Verhältnissen jeder Fleck Weide und jedes Ackerstück wichtig waren, kamen die ersten Streitigkeiten "Spänn und Irrungen" - zwischen den beiden Gemeinden Laichingen und Machtolsheim zu offenem Austrag. Dieser Streit feierte heuer sogar ein Jubiläum: denn er begann im Jahr 1458, wo sich die beiden Gemeinden das erstemal wegen ihrer Hölzer (Wälder) verglichen. Unter diesen Vertrag setzten Abt Ulrich Kondig von Blaubeuren und der Vogt Konrad von dort ihre Siegel.

 

 Aber schon 1511 mußte erneut verhandelt werden, weil sich schon seit längerer Zeit Zwietracht zwischen den Hirten von Laichingen und Machtolsheim über den Weidgang auf Weihstetten erhoben hatte. Ursprünglich hatten beide Gemeinden auf ihrer ganzen Markungsfläche die Weide gemeinsam, wie das bis 1526 auch zwischen Laichingen und Hohenstadt der Fall war. Das weist auf uralte Wirtschafts- und Rechtsverbundenheit dieser Gemeinden hin. Die vielen Unzuträglichkeiten aber zwangen nun zur Aufhebung dieses Zustandes. Das ging noch verhältnismäßig leicht, weil klare Markungsgrenzen vorhanden waren. Auf Weihstetten aber hatten Machtolsheimer und Merklinger Bürger Grund und Boden erworben, der in Laichinger "Zwing und Bänn" lag. Die Frage der rechtlichen Verhältnisse dieser Ausmärker von Machtolsheim und Merklingen war schon damals brennend, je mehr Laichingen auf seiner klaren Rechtslinie und Besteuerung der Weihstetter Grundstücke bestand.

 

Ein Schiedsgericht wurde berufen (von wem, wissen wir leider nicht), dessen Vorsitz Herr Rudolf von Ehingen übernahm, eine bis in die Zeit des Bauernkrieges viel genannte Persönlichkeit. Als Zusätzer der von Machtolsheim nahmen teil Benedikt Vottel, Bürgermeister und des Gerichts von Blaubeuren, und Ulrich Hennenperg, Bürger zu Geislingen. Als Zusätzer derer von Laichingen erscheinen Ludwig Rentz der Alt, Bürger zu Wiesensteig, und Jakob Ilsenbrand, Schultheiß zu Münsingen. Die Namen Hennenperg und Rentz sind ja aus den "Geschichtlichen Mitteilungen von Geislingen" wohlbekannt. Die Hennenperg waren in Geislingen und Ueberkingen ansässig, Ulrich Hennenperg wird mehrmals genannt, aber ohne Angabe des Berufs. Ludwig Rentz ist wohl der 1478/79 genannte Wiesensteiger Student von Tübingen.

 

Dieses 5 köpfige Schiedsgericht, das berufen war, daß "beed Parteien ohne fernere Costen ab der sach Kämen und in guter Nachbarschaft miteinander blieben" kam am 14. November 1511 zu einem gütlichen Vergleich für beide Gemeinden, die dabei versprachen, "hinfüro und in öwige Zeithen" sich nach dem Vertrag zu halten. Alle Deputierten unterschrieben, für Laichingen Schultheiß Martin Schwer und 6 Männer, für Machtolsheim Schultheiß Georg Schmid und 6 Bürger.

 

Aber Verträge haben es in sich. Da gibt's unvorhergesehene Schwierigkeiten,  Sonderfälle und Härten, neue Tatbestände, die zu erneuter Meinungsverschiedenheit führen und auch gute Nachbarn hintereinanderbringen können. Schon 1566 mußte erneut verhandelt werden; aber die Machtolsheimer Ausmärker auf Laichinger Grund und Boden wollten jetzt nicht bloß ihren Weidgang und Viehtrieb auf Weihstetten sichergestellt wissen, sondern dort auch Mähder mit geeignetem Boden umbrechen und anbauen dürfen, ein klares Zeugnis für die wachsende Bevölkerungszahl! Ebenso mußte 1571 verhandelt werden, und ein neuer Vertrag wurde unterschrieben, wahrscheinlich vor dem Stadtgericht in Blaubeuren. - 1577 entschied das Hofgericht in Stuttgart in einem weiteren Vergleich, der von dem Landhofmeister Erasmus von Leiningen und dem Kanzler Johann Brastberger unterschrieben wurde.

 

Ein letzter Nachklang davon findet sich in der Laichinger Gemeinderechnung von 1580, wo es heißt: "Matthes Albern Canzley-Advokaten zu Stuttgart von des Machtolsheimischen Vertrags wegen geben 3 Pfund Heller 15 Schilling." Doch dürfte das nur ein kleiner Teil der Kosten gewesen sein, Prozesse sind teurer. Im Jahre 1594 mußten sich die beiden Gemeinden wegen der einzubauenden Güter auf Weihstetten und dem dort laufenden Weidebetrieb neu vertragen. Am 18. November 1616 schlossen Vertreter beider Ortschaften in Blaubeuren einen weiteren Vertrag, in dem es sich vor allem um die Frage der Besteuerung und der Anerkenntnis durch Gerichte handelte. Bis dahin konnte nämlich über Weihstetter Grundstücke nur in Laichingen erkannt werden; das wurde nun teilweise geändert, wenn Käufer und Verkäufer beide von Machtolsheim waren.

 

Für Laichingen unterzeichneten die Richter Hans Kauder und Hans Nieberlin sowie der Maierbauer Sebastian Mangold; für Machtolsheim unterschrieben Schultheiß Georg Griesinger und Anwalt Reiber. Bei der Abfassung dieses Vertrages halfen tätig mit der Fürstlich-Württembergische Rath Johann Schopf und der Klosterverwalter von Blaubeuren Hans Jakob Stoltz sowie der Herzogliche Amtmann von Laichingen Dieterich Drechsel.

 

Der 30jährige Krieg ließ zwangsläufig den Streit einige Zeit einschlafen; doch um 1710 bis 1715 flackerte die Flamme der Zwietracht wieder lustig aus der Asche. Neue Geschlechter und neue Advokaten probierten es. Es scheint, daß man in Machtolsheim nun aufs Ganze ging und alle Rechte zum schon gewonnenen Grund und Boden wollte. Ein Eintrag aus jener Zeit lautet:

 

"Diese 3 Verträge von 1511, 1571 und 1616 mit Machtolsheim sind von der Zeit an, daß sie geschlossen worden, respektive über 200, 130 und 100 Jahre in ihrer Kraft und gehörigen Observanz gelassen, von anno 1711 ab aber und bis hieher boshaft und mutwilligen Dingen von denen von Machtolsheim nach und nach und einer um den andern zu entkräften und gar abzutun, getrachtet worden, so daß die vernachteilte Kommune Laichingen anfänglich zwar gütliche und nachbarliche Ermahnungen tun, endlich aber höherer Orten und zuletzt bei fürstlicher Kanzlei zu klagen und sein sowohl hergebracht und von so langen Jahren her ohnturbiert genossenes Recht zu suchen genötigt worden, da es dann  wiederum in Prozeß erwachsen und von fürstlicher Regierung an das fürstliche Hofgericht Tübingen zur Entscheidung remittiert wurde, woselbst die Sache nun schon 4 Jahre zum offenbaren Schaden und Ruin beider considerablen Kommunen ohnausgemacht liegt und an etzo noch nicht zu erwarten steht, wie und wann der Prozeß ausgehen wird."

 

1755 schloß man am 22. Juli vor dem Fürstlichen Hofgericht in Tübingen nochmals einen Vergleich. Ob er wohl lange nachwirkte? Wieder mögen die großen Händel der Welt die kleinen überschattet haben, als Napoleon mit gewalttätiger Hand in Deutschland alles änderte. Ab 1819 war man wieder bereit zu frischem Streit. Diesmal kamen die Vertreter beider Gemeinden an einem neutralen Ort (Feldstetten) zusammen, und im Beisein der zuständigen Oberamtmänner von Blaubeuren und Münsingen beriet man über eine neu aufgetauchte Frage. Die Machtolsheimer wollten nämlich ihre Mähder auf Weihstetten zweimähdig machen (d.h. darauf auch öhmden), was man bisher nicht getan hatte. Bei der Verzahnung der Grundstücke mußte das zu neuen Reibereien führen, denn die Laichinger wollten dort weiden bis in den Spätherbst.

 

Man muß lächeln, wenn man die Verhandlungsberichte liest. Da bewiesen die Machtolsheimer haargenau, wie wertvoll der zweite Grasschnitt sei und wie leicht man das bei gutem Willen der Laichinger auch auf Weihstetten tun könne. Die Laichinger gaben die Nützlichkeit eines zweiten Grasschnittes im allgemeinen auch zu, bewiesen dann aber im besonderen, daß das Oehmden auf unserer Alb mit ihrem rauhen Klima nicht von Vorteil sei, sondern sogar schädlich! Man ging umeinander herum wie die Katze um den heißen Brei. Hätten die Machtolsheimer gleich gesagt, wieviel sie für die Ablösung des Weiderechts auf Weihstetten an Laichingen bezahlen wollten, dann wäre der Streit nach beinahe 400 Jahre schnell aus gewesen.

 

Das taten sie aber nicht - die Albbauern haben harte Köpfe und hatten sie auf beiden Seiten! - und so kam es zu einer so verklausulierten Lösung, daß man heute Mühe hat, den Vertrag von Feldstetten vom 22. Juli 1819 zu verstehen. Erst 1826 drehte man der Haue den Stiel: Machtolsheim zahlte für das Weiderecht auf Weihstetten 2150 fl. an Laichingen und hatte nun endlich freie Hand.

 

Der Laichinger Schultheiß Johannes Wörner war nicht ungeschickt, sondern  kaufte 1828 aus dem Erlös dem geldhungrigen Staat für eine Summe von 1747 fl. einige Waldstücke eben in der Gegend von Weihstetten ab, nämlich "Finkenhäule", "Stockhau", "Kühhalden" und "Eselshalde" So war das Geld gleich "wertsicher" angelegt und der Waldbesitz der Gemeinde hübsch abgerundet. Außerdem blieb man in der strittigen Gegend und konnte "luegen", was die Machtolsheimer Nachbarn dort trieben.

 

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Es war jetzt nur noch eine Frage der Zeit, bis man die letzten nun unabweisbaren Folgerungen zog. Machtolsheim hatte den Grund und Boden, hatte auch das Besteuerungsrecht, warum sollte man nicht dem Streit ein Ende machen und auch das Markungsrecht vollends förmlich abtreten? Dies geschah in zwei Verträgen, 1855 und 1858, wo Laichingen nun zuerst das Markungsrecht über 364 Morgen um 200 fl. abtrat und dann nochmals 71,5 Morgen aus seiner Gemeindemarkung auf Weihstetten hergab. Warum auch nicht? Rechte auf Grund und Boden, der einem nicht mehr gehört, sind fragwürdig, und wir sagen nicht umsonst, daß "die Katze ruhig auch die Haut vollends haben könne, wenn sie die Wurst schon vorher gefressen habe".

 

Ein 400 jähriger Streit war damit beendet. Die Kosten für beide Gemeinden lassen sich heute nicht mehr überblicken, waren aber sicher sehr hoch und übertrafen wahrscheinlich den Wert des Streitobjekts. In beiden Gemeinden atmete man erleichtert auf; aber eine Unsumme von Arbeit, Schreiberei, Ärger und Aufregung und nachbarliche Verstimmung waren der Preis, der für die nun langsam sich anbahnende Versöhnung gezahlt worden war. Was blieb davon? - Der Streit ist jetzt vergessen; die beiden Gemeinden sind vereinigt; aber in den Archiven ruhen jetzt noch dicke Aktenbündel über diesen 400 jährigen Prozeß, und die Markungsgrenze auf Weihstetten zeigt heute einen so tollen Verlauf, daß man schon einen "Lotsen" mitnehmen muß, wenn man sich dort zurechtfinden will. - Übrig geblieben aber ist auch diese Abhandlung, die allen zeigen kann, daß die besten Händel nichts nutz sind . . . und wenn sie 400 Jahre dauern.

 

 G. Oelhafen

 

 

 

 Früher war die Schulstube gleichzeitig das Wohnzimmer des Schulmeisters. Er  beklagte sich eines Tages, daß die Holzlieferung für die Heizung zu gering sei.

Sein Gesuch um mehr Brennmaterial wurde mit der Begründung abgelehnt, daß die Kinder selbst genügend Wärme abgeben würden. Dadurch erspare sich der Schulmeister das Heizen der Stube am Nachmittag.

 

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Machtolsheimer Begebenheit aus dem 30jährigen Krieg

 

Abdruck aus dem Buch: Aus Deutschlands schwerer Zeit

 

Als Gustav Adolf Sieg auf Sieg erfocht und sich der Mob der Evangelischen mehrte, traten einzelne Städte auf die Schwedenseite über. Auch die Schwaben gingen zur Tat über, sie wählten Julius Friedrich von Württemberg zum Heerführer und zogen dem kaiserlichen Feindesheer entgegen. Aber im Ulmer Land hausten bereits die Kaiserlichen wie die Räuber und Mörder unter dem General Egon von Fürstenberg. Nachdem Julius Friedrich von Württemberg eine Niederlage erlitten hatte, überschwemmte das Fürstenbergische Heer die württembergische Alb. Zügellos streiften sie durch die Gegenden, bald hierhin, bald dorthin, und stahlen, mordeten, schändeten, zerstörten und verbrannten nach Herzenslust.

 

 So machte auch eine Schar Fürstenberger von Blaubeuren kommend einen Streifzug nach Machtolsheim, einem Dorf 11 km von der Klosterstadt entfernt.

 

Sie fanden das Tor der Umfassungshecke wohl verschlossen. Im Dorf selbst  herrschte Totenstille. Dies kam ihnen verdächtig vor. Aber sie wußten sich zu helfen. Nach ein paar kräftigen Axthieben splitterte das Tor und gab den Weg frei. Die Mannschaft stieg von den Pferden und ließ diese vor dem Tor weiden. Ihr Anführer aber gab ein paar besonders Mutigen den Auftrag, irgend eine Person des Dorfes vor ihn zu bringen. Hatte er erst einmal ein menschliches Wesen in der Hand, so brauchte ihm nicht mehr bange zu sein. Er hoffte fest darauf daß sich auch hier alte, gebrechliche Leute noch aufhalten, die nicht mehr fliehen wollten, da ihnen nichts mehr am Leben lag. So dachte der Führer, denn von solchen gebrechlichen Zurückgebliebenen konnte er jede gewünschte Antwort erhalten, weil ein Heerführer der damaligen Zeit mehr als genug Mittel und Wege dazu hatte. Man schraubte z. B. kurzerhand den Feuerstein eines Feuerrohrs (Gewehr) ab und zwängte dafür einen Daumen ein. Wer diese Daumenschraube verspürte, gab willig jede gewünschte Auskunft, auch wenn er sonst nicht zu den Maulhelden zählte.

 

Eine gebrechliche Person ergatterten die furchtlosen Rotmäntel nicht, dafür aber ein scheu dreinblickendes Mägdlein mit niederer Stirne (= mit Dummheit beschlagen), mit schwarzem, unheimlich funkelndem unruhigen Augenpaar und brennend rotem Lockenhaar. Im Dorf galt das merkwürdige Geschöpf gemeinhin als Hexe, obwohl es völlig unschuldig war.

 

Unter Püffen und kräftigen Rippenstößen wurde das arme verschüchterte Ding vor den Hauptmann gezerrt. Da aber der Hauptmann nicht schwäbisch sprach und die Rote sein Kauderwelsch nicht verstand, war guter Rat teuer. Das Mädchen gab auch lauter verkehrte Antworten und brachte so den Führer zur Raserei. Mit derben Fäusten packte er die Erschrockene am Hals und schüttelte sie so, daß ihr Hören und Sehen verging. In ihrer Not glaubte die Geängstigte unter den kräftigen Fluchkanonaden das Wort "Hexe" zu hören und rief darum beschwörend "Net Hex! Net Hex" (Nicht Hexe) und sprang spornstreichs zum Kirchhoftor. Von Angst gepeinigt  hämmerten ihre Fäuste gegen das schwere Tor und voller Verzweiflung rief sie: "Liabe Leit, lasset mi nei, dia Kroata send do!" (Liebe Leute, laßt mich rein, die Kroaten sind da). Von drinnen erscholl hart die  Antwort: "D'Hex könnet mr et braucha, dui brengt nex als Unglück!" (Die Hexe wollen wir hier nicht, sie bringt nur Unglück). Eine zweite Stimme rief barsch: "Hebe dich weg, Satan!" (Entferne dich, Satan).

 

 Den Kroaten, die der die Dorfgasse hinabrennenden Roten gefolgt waren, ging, als sie das Schauspiel sahen, ein Licht auf und es war ihnen sofort klar, daß sich die Bewohner im ummauerten Kirchhof versteckt hielten. Nach kurzem Besinnen hatte der Führer einen teuflischen Plan gefaßt. Er hatte nämlich bemerkt, daß vor den Häusern haufenweise Reisigbüschel aufgeschichtet waren. Er ließ sie alle herbeischaffen, denn sein Plan war, die Bauern durch Rauch zu ersticken, wie man damals die Bienen im Korb durch Schwefeldämpfe erstickte, wenn man ihnen den Honig wegnahm. Vorsichtig schlich der Führer um die Mauer, um zu erfahren, ob nicht etwa ein Entkommen möglich wäre. Die Mauer wies einen tadellosen Zustand auf. Auf dem Mauerkranz erblickte der Führer jedoch eine Menge noch nie gesehener glockenförmiger Körbe. Was diese wohl zu bedeuten haben? Doch er konnte sich nicht ins Denken und Grübeln versenken, hier galt es rasch zu handeln. Er rief seine Männer heran und gab rasch Befehle, die Reisigbündel um die Mauer zu legen und anzuzünden.

 

 Auf diesen Augenblick hatten die Bauern gewartet, daß sich die feindliche Schar der Rotmäntel der Kirchhofmauer nähere. Deshalb brachte man zuvor sämtliche Bienenkörbe des Dorfes vorsichtig hierher. Als die Feinde nahe genug waren, kommandierte der Pfarrer: "Im Namen des dreieinigen Gottes, werft die Körbe hinab." Das geschah auch und lustig stachen die aufgebrachten Bienen drauflos. Hei, war das ein Spaß, denn je mehr sich die Kroaten wehrten, desto wütender kämpften die Honigvögelein (Bienen). In wilder Jagd ging es zu den Weideplätzen der Pferde, die sich wild aufbäumten und ausschlugen, hin und her rannten und vor Schmerz wieherten. Das von den Bauern vorausgesehene und erwartete Tohuwabohu (Durcheinander) war eingetreten.

 

Jetzt erst traten sie mit Dreschflegeln, Gabeln und Sensen bewaffnet in Aktion und besorgten den Rest. Wie ein zweiter Bienenschtoarm fielen sie über die Kroaten her und droschen wie toll auf den Schädeln der zerstochenen Wilden herum. Dieses Schauspiel währte eine geraume Zeit, bis nämlich jeder Kroate sein Pferd bestiegen hatte und in wilder Flucht sein Heil suchte. Kaum waren die Kroaten abgezogen, so hielt der Pfarrer einen Dankgottesdienst ab. Wohl selten hatten seine Schäflein mit solcher Freudigkeit gesungen und solcher Inbrunst gebetet. Als die mutige Streifschar nach Blaubeuren zurückkam, wurde sie gehörig gehänselt. Mit so vollen Backen und leeren Taschen waren sie noch nie von einem Streifzug heimgekommen.

 

 

Die Ablieferung des Zehnten gab manchmal Schwierigkeiten, da die Abgabepflichtigen sich drücken wollten. So wird 1683 in einem Strafrechtsprotokoll berichtet:

Andreß Moll ist beim Aufbinden der Zehendgarben etwas verdächtig erfunden worden, er wurde um einen kleinen Frevel amtlich gestraft um 3 Gulden 15 Kreuzer oder um 1700: Jörg Pfüger zu Machtolsheim hat auf seinem Acker auf Rainen nicht redlich ausgezehndet, sondern von 54 Garben, so er geschnitten und aufgebunden, nur 4 Zehendgarben stehen lassen, weswegen ihm der Zehendordnung gemäß zur Strafe angesetzt worden sind 10 Gulden!

 

Im Oktober 1879 fand ein "Gansschießen" bei der Eselhüle statt. Die Preisgänse wurden durch das Schießen so erschreckt, daß sie davonflogen und nur mit Mühe wieder eingefangen werden konnten.

 

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Bräuche im Laichinger Raum

 

Wenn man eine bestimmte Landschaft auf Bräuche untersuchen will, muß man, nach neueren Erkenntnissen, zuerst ihre historische und kulturgeschichtliche Vergangenheit betrachten. Man muß z. B. wissen, welcher Herrschaft die dortigen Gemeinden einst untertan waren; ein großer Teil aller Bräuche läßt sich aus den Gesetzen und Verordnungen ableiten, die diese Obrigkeit erlassen hat. Man muß wissen, welche Konfession eingeführt worden war, wie sich infolgedessen die kirchliche Zugehörigkeit darstellt und außerdem interessieren Klima, Bodenbeschaffenheit, davon abgeleitet Landwirtschaft und Gewerbe, Armenwesen, die sozialen Verhältnisse, der Grad der Abgelegenheit und die gelegentlichen Fremdeinflüsse, also Zugehörigkeiten zu Märkten und großen Städten.

 

Der Raum um Laichingen, von dem wir hier sprechen wollen, teilt sich auf in  altwürttembergische (also schon vor der Bildung des Königreiches 1806 württembergisch gewesene), grundherrschaftliche und einst kurbayrische Gebiete. Die ersteren sind heute evangelisch, letztere katholisch (Westerheim, Hohenstadt, die Hälfte von Ennabeuren und Magolsheim). Laichingen selbst mit Suppingen, Machtolsheim, Feldstetten und Sontheim ist, als zum Kernland Württemberg gehörig, schon 1534 mit diesem Land reformiert worden. Wir sehen, schon die heutigen Konfessionen der Dörfer sind mit den dazugehörigen Bräuchen abhängig vom einstigen Landesherrn und seiner Einstellung zu Luther und seiner Reformbewegung.

 

Rein äußerlich läßt sich dies bei einer kurzen Fahrt durch die Gemeinde und ihre Markungen schon feststellen: In katholischen Gemeinden ist der Brauch der Feldkreuze und Flurkapellen noch erhalten, während in protestantischen Orten diese durch den württembergischen Herzog Christoph 1555 abgeschafft und verboten wurden. Sitten, die mit solchen Kreuzen und der ganzen Heiligenverehrung der Katholiken zusammenhängen, müssen also in Alt-Württemberg fehlen - und dies ist, wie man weiß, längst nicht der einzige brauchtümliche Unterschied zwischen evangelischen und katholischen Gemeinden.

 

Mit Ausnahme von Westerheim und Hohenstadt besteht der engere Laichinger Raum also aus altwürttembergischen und evangelischen Gemeinden. Außer der Konfession und der einstigen Herrschaftszugehörigkeit verbindet sie noch einiges Gemeinsame: Zunächst das Klima auf der Alb, kalt und rauh, wie wir alle wissen, viel Schnee und wenig Wasser, Karstgestein mit Erdfällen und Höhlen und daher die große Abgelegenheit, weil niemand nach Schwäbisch Sibirien hinauf wollte. Sie ist eigentlich erst durch den Autoverkehr nach dem Zweiten Weltkrieg überwunden worden.

Vorher waren die Dorfgemeinden stark isoliert und sehr auf sich selbst angewiesen, wenn man bedenkt, daß sie winters manchmal wochenlang eingeschneit und auch von dem wenigen Verkehr noch abgeschnitten waren, der sie damals berührte. Im Falle Brauchtum hat dies den großen Vorteil, daß sich vieles an alten Sitten und Gepflogenheiten erhalten und bewahrt hat, was anderswo längst vergessen ist. Die Alb, und gerade die mittlere um Laichingen, war und ist auch heute noch ein Eldorado für die Volkskundler und Brauchforscher. Hier finden sie alte Restbestände an abstraktem und konkreten Volksgut, Mundart, Redensarten, Sagen, Überlieferungen ebenso wie Bauernmöbel, Geräte, Hausbau und vor allem die Tracht. Jeder weiß, daß die Laichinger und die Ulmer Alb die letzten Trachtengebiete Württembergs sind, und jeder freut sich, wenn er so ein Weible im Leiblesrock oder einen "Mannsnam" im Blauhemd mit dem Weberkäpple sieht.

 

Damit ist eine weitere Gemeinsamkeit schon angesprochen: Die Weberei, das Urhandwerk des Schwaben, ist hier oben überall beheimatet - seit tausend Jahren, was vermutlich nicht zu hoch gegriffen ist - so lange spann, webte, spulte, nähte und stickte man in dieser Gegend, und im frühen Mittelalter schon brachte man die fertige Ware nach Ulm zum Weiterverkauf. Später war man eine Weile nach Urach verpflichtet, aber die Verbindung nach Ulm blieb doch stärker. Auch diese Verbindung zur Reichsstadt an der Donau ist den Laichinger Älblern gemeinsam gewesen und hat sie verbunden. Das viele Sitzen und Sinnieren am Webstuhl förderte die Religiosität; so kam es, daß sich das Stundenwesen zu einem weiteren Merkmal für diese Gegend entwickelte, auch hat es Bräuche mitgebracht und hinterlassen, wie wir noch sehen werden.

 

 Gehen wir auf unserer Suche nach Gemeinsamkeiten noch etwas weiter zurück,  so müssen wir an den Dreißigjährigen Krieg denken und daran, wie ungeschützt die "Albweilerlein" sich fremdem Kriegsvo1k dargeboten hatten und wie schwer sie zerstört wurden - hier oben ganz besonders schlimm. Manche von ihnen sollen jahrelang ganz leer und verwüstet gewesen sein. Es wird klar, daß dieser große Krieg eine Schwelle ist, über die wir mit unserer Suche nach Bräuchen nicht hinauskommen. Die mündliche Überlieferung ist abgebrochen, und zuverlässige Berichte aus der Zeit vorher gibt es kaum; außerdem ist es ganz verschieden, welche Arten und Nationen von Menschen diese leeren Stätten wieder aufgefüllt haben.

 

Laichingen z. B. soll fast ganz von Schweizern, Suppingen zum größeren Teil von Tirolern neu besiedelt worden sein; nach Feldstetten kamen mehr Leute aus umliegenden Gemeinden und ehemalige Bewohner, die geflüchtet waren. So war die Neuentwicklung der Dörfer von ganz verschiedenen Einflüssen geprägt; es kann z. B. sein, daß die heute noch bekannte und gepflegte Musikalität der Suppinger auf ihre tirolischen Vorfahren zurückgeht.

 

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Kommen wir zu den Einzelbeispielen. Eine Hochzeit z. B. scheint heutzutage, nach Absolvierung der behördlichen Vorschriften, doch ein privates Fest zu sein - nicht so in der Vergangenheit. Württemberg hatte durch Gesetze schon das Heiratsalter (mindestens 22 Jahre bei der Frau, 25 Jahre beim Mann) geregelt; man mußte um Konsens einkommen, wenn es einmal nicht ganz stimmte. Vorgeschrieben war der Wochentag der Eheschließung, nämlich der Dienstag; vor einigen Jahren noch heirateten "rechte Leut" an diesem Tag. Die Zahl der Gäste, der Wert der Geschenke, die auszutragenden Gaben, das Tragen des Kranzes, das Bestellen der Tanzmusik, die Zahl der Tage, an denen gefeiert werden durfte - alles war von obenher verordnet und dazuhin gab es noch einen "Hochzeitsschauer", der die Einhaltung zu kontrollieren hatte.

 

So sind die "Zechhochzeiten" entstanden, bei denen es üblich ist, daß das Brautpaar lediglich die engeren Verwandten und die Altersgenossen freihält, wogegen die anderen Gäste ihre Zeche selbst bezahlen; die Obrigkeit hatte in langen, heute noch erhaltenen Listen den Verwandtschaftsgrad der freizuhaltenden Gäste festgelegt. Im Unterland etwa haben sich diese alten Vorschriften längst aufgelöst; auf der konservativen und abgelegenen mittleren Alb hat man sich bis in unsere Tage herein noch daran gehalten.

 

 Aus freier Initiative heraus geschah bei Hochzeiten vielleicht noch das "Hochzeitsladen" durch den Büttel oder Mesner, das Beladen des Brautwagens bei auswärtigen Brautleuten, das "Umziehen" (meist montags) innerhalb des Fleckens (Ort) in einem bunten Zug, bei welchem die Altersgenossen und Verwandten die ganze Aussteuer offen zum neuen Haus trugen und fuhren. Die Braut trug meist die Kopfkissen auf dem Kopf, wurde an der künftigen Haustür von der Schwiegermutter mit Brot und Salz empfangen und mußte beim Hineingehen darauf achten, daß sie nicht am "Türag-richt" streifte, weil das Unglück bringen sollte.

 

Manchmal wurde bei solchen Zügen und Fuhren auch "aufgehalten", d.h. von Schulbuben oder Altersgenossen ein Seil über die Straße gespannt, so daß man anhalten mußte, bis der Bräutigam sich mit einer Geldsumme freigekauft hatte.

 

Bei den Taufen war die Sachlage ähnlich, auch hier gibt es eine Menge Anordnungen der Obrigkeit, die befolgt werden mußten. Wieviel Paten man haben durfte, wann, wo und wie der feierliche Akt stattfinden sollte, daß der Vater dabeisein und die Hebamme nicht schwanger sein solle, daß die ledige Patin nicht zu jung und abergläubische Mittel nicht ins Taufkissen gesteckt werden dürften, alles war festgelegt, auch das, daß der Mesner beobachtet werden müsse, damit er den Rest des Taufwassers nicht zu abergläubischen Anwendungen verkaufe!

 

Durch diese Anordnungen sollten natürlich in erster Linie eingerissene Unarten bekämpft werden, und wir heute sind dafür nicht undankbar, denn auf diese Weise erfahren wir von alten und vergessenen Gepflogenheiten mehr als durch den Mund der Leute.

 

 Die Konfirmation hebt sich hier etwas ab. Sie ist ein verhältnismäßig junges Fest, erst 1722 in Württemberg eingeführt und daher von alten und abergläubischen Dingen nicht so schwer belastet. Es gibt einige junge Bräuche, so das Aufstellen von Tannenbäumchen an der Kirchentür, die, mit weißen Papierrosen aufgeputzt, jedem Vorbeifahrenden Freude machen. Die Konfirmanden gehen schon wochenlang vorher "ins Tannenreis" um auch die Kirche von innen prächtig auszuschmücken und es womöglich noch schöner zu machen als der Jahrgang vorher.

 

Dagegen ist ein so schwerwiegendes Ereignis wie der Tod eines Dorfgenossen  wieder reich von Bräuchen aller Art umrahmt. Das Ende soll sich z.B. anmelden, wenn ein Käuzchen über dem Hause schreit, jemand von schwarzen Kirschen träumt oder wenn, bei einer Frau, sich beim Ausputzen des schwarzen Festtagsgewands Haken und Haften "von selber" schließen. Ist der Tod eingetreten, soll man die Bienenstöcke verrücken, die Frucht auf der Bühne umschaufeln und die Fässer im Keller "nore toa" (verschieben). Der Tote wird bei Nacht bewacht, die späteren Träger übernehmen diesen Dienst und bekommen Brot und Schnaps dafür; Abrechnungen darüber sind in fast allen Gemeinderechnungen zu finden.

 

Die Leichenzüge durchs Dorf sind heute, seit Errichtung der Leichenhallen,  meist weggefallen, auch die Läutebuben müssen nicht mehr mit dem Taschentuch winken, wann geläutet werden soll, seit man ein elektrisches Geläute hat. Der Altarumgang nach dem Trauergottesdienst ist ebenfalls schon im Aussterben; hierbei gingen die Angehörigen und Nachbarn des Toten im Gänsemarsch um den Altar, um dort ihr Opfer in eine Schale einzulegen, während die übrige Gemeinde stehend wartete, um dann nach den Altargängern die Kirche zu verlassen. Die Trauerzeit, also die Zahl der Wochen, in denen man schwarz gekleidet gehen mußte, war einst ebenfalls behördlich geregelt und richtete sich streng nach dem Grad der Verwandtschaft.

 

Auch dieser Brauch lockert sich in der Jetztzeit, es wird selten noch ein ganzes Jahr schwarze Kleidung angelegt. Kam ein Leichenwagen von auswärts, so sollten die Glocken geläutet werden, sobald der Wagen die Markungsgrenze berührte - damit es nicht hagelt! Hagelschlag wurde einst auch befürchtet, wenn ein Selbstmörder auf dem Friedhof begraben wurde. Es ist in den Akten von manchem Fall berichtet, daß eine solche Leiche heimlich bei Nacht ausgegraben und irgendwo draußen, möglichst außerhalb der Markung, verscharrt wurde!! Natürlich gab es auch gegen solchen Aberglauben Gesetze und Strafandrohungen von seiten der Behörde.

 

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 Der landesherrlichen Initiative sind aber auch solche Lebensformen und Bräuche zu verdanken, die nicht an den menschlichen Lebenslauf gebunden sind. Die Backhäuschen zum Beispiel, die fast in jedem Albdorf noch zu finden sind, wurden laut einer Verordnung vom 13.4.1808 erstellt, da das Backen in den Häusern zu feuergefährlich geworden war. Botenwesen, Läuten, Mühlenwesen, Hausbau wurde ebenfalls stark dirigiert. Das Bäumepflanzen auf Allmanden durch Neubürger und jung verheiratete Ehemänner, heute manchmal als uralter Brauch erklärt, geht ebenfalls auf eine Erkenntnis der Obrigkeit zurück, daß man auf der Alb für Baumwuchs und bescheidenen Obstbau sorgen müsse.

 

Die Tatsache, daß die Lehrer in einigen Orten noch Eier an der Fasnet, Metzelsuppen etc. erhalten, geht auf die Tatsache zurück, daß die "Schulmeister" ja einst zum größten Teil von den Dorfleuten unterhalten wurden und daß es damals Pflicht war, zu bestimmten Terminen dem Lehrer die pflichtigen Lebensmittel zukommen zu lassen. Als der alte Schullehrer Ezechiel Pfrang in Feldstetten starb, hatte er bei den Leuten noch 67 Laibe Brot gut, die den Erben dann auch ausgehändigt werden mußten.

 

Aber auch die Weberei hat verschiedene Bräuche beeinflußt. Da ist vor allem an die Lichtstuben zu denken, die ja in erster Linie dazu da waren, auf "energiesparende" Weise die Dorfmädchen zum Garnspinnen anzuspornen - nämlich daß nur ein oder zwei Häuser im Dorf "das Licht hielten", während alle anderen dunkel hatten. Noch zu Anfang dieses Jahrhunderts gab es viele Leute, die im Winter einfach kein Licht brannten und mit Einbruch der Dunkelheit ins Bett gingen. Daß sich aus den Licht- oder Kunkelstuben dann Geselligkeitshäuser entwickelten, in denen auch Buben dazukamen und man viel erzählte, sang, lachte, tanzte und Unsinn trieb, hat später viele Pfarrer erbost und zu energischen Gegenmaßnahmen veranlaßt.

 

Manch einer hat es fertig gebracht, die Lichtstuben ganz zu verbieten - worüber dann die Weber wieder schimpften, da sie nun teures Garn einführen mußten! In Laichingen gab es einen "Schnellermarkt". Er fand jeden Dienstag unter großem Zuspruch der Weberschaft statt. Ein "Schneller" war ein gewisses Quantum an Garn, das gehaspelt und aufgedreht worden war, ähnlich wie ein "Rick" Wolle, das Gebäck "Flachswickel" erinnert daran. Auf diesem Markt wurde Garn eingekauft oder losgeschlagen, je nachdem; 1820 wurde laut Rundschreiben der Oberämter Blaubeuren und Münsingen auf diesen Markt hingewiesen. Die kleinen weißen Bleicherhäuschen, die vor einigen Jahrzehnten noch die Albheiden an den Ortsrändern schmückten, waren Unterstände für den Bleicher, der frischgewebtes Leinen zum Bleichen entgegennahm, aufspannte, begoß und behütete, letzteres besonders bei nächtlichem Sturm, wo er manchmal den abgetriebenen Stoffbahnen kilometerweise nachrennen mußte - denn er hätte sie ersetzen müssen!

 

Auch der Flurname Brechgrube erinnert an die Weberei: Hier wurde der Flachs geröstet,  gebrochen, geschlagen und geschwungen, bis man ihn verspinnen konnte. Leider ist auch das Wort "Dunke" schon im Aussterben, die Bezeichnung für den Weberkeller, der einst unter der Wohnstube lag und durch eine Falltür zu erreichen war. Dort in der Tiefe und in Gesellschaft von Hühnern, Rüben und Kartoffeln saß der Weber und webte, webte und webte um ein bischen Lohn, der kaum dazu ausreichte, um den Arzt für die Schwindsucht und den Rheumatismus zu bezahlen, der leider nur zu oft die Folge dieser Arbeit war.

 

 Auch "Ageln" ist ein Begriff den heute keiner mehr kennt; das "Agelschütteln" war einst ein fester Brauch. Ageln sind Flachsabfälle, die leicht in den Kleidern der Mädchen haften blieben, wenn man gesponnen hatte; vor dem Heimweg mußte man sie abschütteln, und natürlich halfen die Burschen mehr als gern bei dieser Tätigkeit. Es durften aber nur die "festen" Liebhaber Ageln abschütteln, die, mit denen eine Heirat so gut als ausgemacht war, das war strenge Sitte!

Auch das Stundenwesen brachte seine Bräuche mit sich. Jeder kennt das "Däumeln", Loszettel ziehen oder in eine Bibel stechen, um ein Losungswort für den Tag oder auch, an Neujahr, für das ganze Jahr zu erhaschen.

 

Das man bei Gewitter nachts aufstand und bei einer Kerze aus dem Andachtsbuch oder Stöltzlins Wetterbüchlein laut vorlas, daß man viel schwarz trug, zum Beispiel an Karfreitag oder zu Beginn der geschlossenen Zeit im Advent, daß man keinerlei Fasnetveranstaltungen hielt und besuchte, daß man zum Abschluß von Hochzeitsfeierlichkeiten mit dem Choral "Auf Gott und nicht auf meinen Rat" mit dem Brautpaar zur neuen Wohnung zog, entstammt der tiefen Frömmigkeit der pietistischen

Atmosphäre. Manche gingen so weit, daß sie jeglichen Blutgenuß ablehnten, das Blut der Tiere beim Schlachten in die Erde laufen ließen und auch nirgends eine Blutwurst aßen; sie glaubten, daß sie dieses mit dem Bibeltext Apostelgeschichte 15, 28 und 29 nicht vereinbaren könnten. Darüber hat es manche Streitigkeit gegeben, denn man war auf der Alb nicht wohlhabend und verzichtete ungern auf eine nahrhafte Speise, die man zudem "selber hatte".

 

 Endlich war es noch das Klima, das manchen gemeinsamen Brauch hervor brachte, insbesondere der Wassermangel. "Dachwasser" war, wie von Machtolsheim berichtet, im Sommer wochenlang das einzige Naß, das die armen Älbler in der Küche hatten - die halb ausgetrockneten Hülen waren für das Vieh schon zu schlecht. Was hätten diese Leute "für ein vorbeilaufendes Bächlein" gegeben, wie Höslin schreibt - und es ist kein Wunder, daß sich ihre Phantasie mit Brunnenschmeckern, Wünschelrutengängern nur allzuviel beschäftigte. Betrüger hatten hier leichtes Spiel, man hoffte und hoffte, es könne doch irgendwo noch eine Wasserader sprudeln!

 

Das Reinigen der vorhandenen Brunnen spielte ebenfalls eine große Rolle, man glaubte, man könne mit Birkenholz oder einem eingeworfenen Brotlaib die notwendige Sauberkeit erreichen. Auch Höhlen und vergrabene Schätze beflügelten die Einbildungskraft - es gibt kaum in einer anderen Gegend so viele Schatzgräbersagen. Einen Schatz zu finden - das war damals so etwas wie ein Lottogewinn heutzutage - die Hauptsache ist, daß man auf etwas hoffen kann! Und wenn es auch wenig war, aber diese Chance zur Hoffnung hat dem Älbler sein steiniger Boden, seine Höhlen, Klüfte, Erdfälle und Bückel wenigstens gegeben!

 

Angelika Bischoff-Luithlen

 

 

Ein Totengräber verkaufte die in alten Gräbern gefundenen Sargnägel an einen Schmied in Laichingen, der daraus "Krampfringe" fertigte. Die Ringe wurden am Finger getragen und sollten gegen alle Krämpfe wirken, ein Stück kostete 20 Kreuzer. Nachdem später Drahtstifte verwendet wurden, befürchtete der Totengräber einen Rückgang des lukrativen Geschäfts, da diese Nägel schneller rosteten.

 

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Flur- und Personennamen

 

1. Flurnamen

 

Es ist zunächst vorauszuschicken, daß die Machtolsheimer Markung eine ganz eigenartige Form hat. Sie erstreckt sich von Südosten nach Nordwesten in einer Länge von 12 Kilometern. Die Breite beträgt maximal 6,5 Kilometer, an der engsten Stelle nur 800 Meter. Ihre höchste Stelle (Weidstetten) mißt 785 Meter, die tiefste (Hübscher Stein) 610,2 Meter. Interessant ist vor allem, daß die Gemeinde noch keine Flurbereinigung durchgeführt hat. Die Landschaft ist somit noch vielgestaltig und nicht so eintönig. Sie hat den ursprünglichen Albcharakter größtenteils bewahrt. Die überlieferten Flurnamen sollen der Nachwelt erhalten bleiben. Entnommen wurden die Flur- und Wegbezeichnungen dem Lagerbuch (Besitz- und Steuerbuch) von 1581, der Heiligenrechnung 1661/67 und den Flurkarten. Viele sind längst ausgestorben. Manche sind nicht mehr gebräuchlich, aber ältere Leute erinnern sich noch an einige dieser Namen. Den Jüngeren sind sie weitgehend unbekannt, da sie nicht in der Landwirtschaft tätig sind, sondern einer anderen Beschäftigung nachgehen, vielfach auch auswärts.

 

 Die Flurnamen könnte man in verschiedene Gruppen einteilen: Ackerland, Egerten, Gras- und Baumgärten, Krautländer, Wälder, Weiden, Wiesen usw.

 

Wir haben es jedoch vorgezogen, sie alphabetisch zu ordnen; so findet man sich rascher zurecht. Die Schreibweise hat sich leider bei manchen Namen im Laufe der Jahrhunderte stark verändert; darum ist die Deutung nicht immer einfach, manchmal sogar unmöglich. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Sicher ist diese Zusammenstellung nicht vollständig. Wer weitere Flurnamen  findet, kann dieselben im Heimatbüchlein eigenhändig nachtragen.

 

Bei dieser Gelegenheit wollen wir des "Vaters" der Flurnamensammlungen, des  Ehinger Oberamtsarztes Michael Richard Buck (1832-1888), eines Ertinger Bauernsohnes, in Hochachtung gedenken. Alle ernsthaften Forscher haben sich bislang auf ihn berufen.

 

 Und nun zu unserer Sammlung.

 

 Aalen, Ahlen, Aalentrieb: Wald- und Weideland, vielleicht von alach = umzäunter/ geweihter Ort. Auf Merklinger Markung findet sich ebenfalls der Flurname Alen.

 Au, Aw, Aulen: Tiefliegendes Weide- und Wiesenland.

 Auchtweide, Vchtwayd (v = u): Ursprünglich Morgenweide, später Nachtweide.

 

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 Banholz: Gebannter Wald, d.h. dem öffentlichen Zutritt verbotener Wald. Lange, schmale Parzellen.

Baumgärten, hinter den Bombgärtten: Grasgärten in der Nähe des Hofes oder  Dorfes, mit Obstbäumen bepflanzt.

 Bettelhaus : Armenhaus (Gemeindeeigentum).

 Beurer Höhe, Blaubeurer Grund, Blaubeurer Strage: in Richtung Blaubeuren  gelegen.

 Bild, bei dem Bild: Heiligenbild, Bildstock (z. B. am Merklinger Weg).

 Birkbühl: Bohl = Hügel. Mit Birken bestanden.

 Bohnacker. Vielleicht Acker mit Saubohnen, auch Familienname.

 Bonnenwies: Vielleicht von einem Familiennamen (Wiese des B.).

 Brand (1470 beim "Bild" erwähnt): Deutet auf einen Brand hin. Waldbrände waren früher nicht selten.

 Buchen, bei den Buchen: Einzelstehende Buchen.

 Buckenrain, auch "Buchen" oder "Machtolsheimer Gemeind" genannt. Der Familienname Buck kommt schon 1544 vor. Heute Campingplatz.

 Bühl, im mittlen Bühl: Bühl = Anhöhe.

 Burghülen, Burkhülen: Dort befand sich eine der 7 Hülen, davon 6 im oder am  Ort.

 

 Cappel, Kappellgarten: Vielleicht gab es früher in Machtolsheim mehrere Kapellen.

 Creutz-Äckerle: Bei einem Holz- oder Wegkreuz gelegen.

 

 Eichhölzle, Aichholz: Nach der dort vorkommenden Eiche.

 Eselhüle: Eseltränke (jetzt aufgefüllt).

 Eschle, Oschle: Kleiner Flurteil (Osch).

 Fachs, vff dem Fachs (v = u), eggartten: Nach borstigem Gras?

 Franckhental: Nach einem Familiennamen.

 Frawen-Äckher, -güetter; stost oben vff die Höerstrag (ca. 100 Morgen): Einem Frauenkloster gehörig.

 

 Gangäcker, Gännghüle: Nach den Hausgänsen benannt; jetzt Friedhof 

 Gamperslau(h): Nach dem Familiennamen Gamper. Lau = Gehölz.

 Geigbühl: Ziegenweide.

 Georgen Bäumblen, Acker zum großen Stein: Rufname Georg.

 Gewandäcker. Unterabteilung der Feldflur.

 Gestrieth : Nach Sumpfgräsern benannt.

 Grafenbaum, 1581 "zum Graffenbom", 1470 "Grauenstein". Markanter  Punkt.

 Grubenäcker: Erdfalläcker.

       

 Haderhülen: Krautgärten mit Hüle. Familienname oder von Hader (Streit).

 Hafnergasse: Hier wohnten die Hafner (Hauptgewerbe).

 Hagen: Von Hagen = Stier oder Hag = Hecke.

 Hämpfertal, Himpfertal: Vielleicht von Himbeeren.

 Hängle, Hengle, Hänglestal: Talhang.

 Hasengasse, Haßgässle, hinter Häßelhühlen: Vielleicht von Haselnuß.

 Heerstraße, Herstraß, 1470 Höweg: Befestigter Weg, wahrscheinlich schon von den Römern angelegt.  Helfensteinerstraße: Nach den Grafen von Helfenstein genannt.

 Hengstruck, Hengstrücken, das kleine Hengstruck: Pferdeweide.

 Hennenbühl: Nach den (Feld-)Hühnern benannt.

 Herrlinger Hau: Wald, einst den Herren von Herrlingen gehörig. "Hau" bedeutet Urbarmachung durch Aushauen, auch für eine Schonung.

 Hirschfelder: Nach den Hirschen benannt.

 Hofstetten : Acker- und Weideland.

 Hohbuch, Hochbuch, (Haubuch), Hochbucher Steig: Buch = Buchenwald; 763 m hoch.

 Hochholz: Holz = der kleine, im Einzelbesitz befindliche Nutzwald. ("Wald"  bezeichnet meist ausgedehnte Waldflächen.)

 Hübscher Stein: Höfischer Stein, nach den früheren Herrschaftsgebieten Ulm, Helfenstein und Württemberg. Trägt drei Wappen. Markungsgrenze Machtolsheim / Bermaringen / Treffensbuch.

 Hülengärten: Bei der Hüle gelegen.

 Hungerberg: Dort mußte das Vieh ausruhen (hungern).

 

 Ingenreiß, Langenreis; eine schluchtartige Fortsetzung heißt "Langenreiser Steig". Reis = Reisig. Vielleicht schnitt man dort Besenreis oder Wieden (Weiden).

 

 Kastenhau (1539 erwähnt): Familienname.

 Kälblestrieb: Zur Weide führend.

 Kirchsteig: Alter Viehtrieb nordwestlich des Ortes.

 Klemmertsreute, auch Lämmerts Reutten: Ausgestockter (gerodeter) Wald. Von Lamm?

 Kochweg: Von einem Familiennamen herrührend.

 Kohlhalde: Hier wurden Kohlen gebrannt.

 Koppengäßle: Familienname Kopp.

 Kuhberg, -stelle: Weide- und Ruheplatz.

 

 Laiberteil: Gute Äcker, von Laib = Schmerlaib oder Laub.

 Langenreis: Siehe Ingenreis.

 Langer Hau: Nach der Ausdehnung benannt.

 Langes Tal: Siehe Talgang.

 Lindenäcker: Dort standen Linden.

 Lindenkreben: Dort wurde u.a. verpfändetes Vieh feilgehalten.

 Maiergasse, Mayergäßlin, Mayerhoff. Nach dem Dorfmaier benannt.

 Mehldornen, Beym Mehldornen: Vielleicht vom Weißdorn (Mehlbömbala).

 Mortwinsthor: Tor gegen Laichingen, nach dem Familiennamen Mortwin benannt. Machtolsheim hatte Tore als Durchbrechung einer Umfriedung durch ein Hag.

 

 Nonnenmähder: Alter Klosterbesitz.

 

 Rainbühl, Reinbühl: Anhöhe mit Rainen.

 Rehebühl, Raichbühl: Vielleicht dasselbe wie Rainbühl.

 Reisach, Reysach : Hier wurde Reisig gewonnen.

 Roggärttlin: Eingezäunter Garten für die Füllen.

 

 Sandacker (Richtung Berghülen): Hier wurde Sand gegraben.

 Sand Jacobs Cappell: 1582 erwähnt.

 Schächterle: Vielleicht von der Form einer Schachtel, (Gemeindewald).

 Schallengassen, Schellengaß: Familienname Schall.

 Scheuenwies: Vielleicht von einem Familiennamen.

 Schragengärten: Nach einem Gestell zum Abstellen von Lasten.

 Sontheimer Weg: Weg nach Sontheim, vorbei an Laichingen.

 Spaltenwiesen (beim Ort): Vielleicht hat man dort Dillspälten (Zaunlatten) gemacht.

 Steebengaß, Steibengasse, im Stöben, Steebenthor: Oben im Dorfgegen Treffensbuch. Nach dem Familiennamen Steeb.

 Steigle: Teilweise steiler Weg in Richtung Merklingen.

 Steinenlaw, Steinenlauh: Steiniger Wald. Dort wurden 1953 erfolglos Probebohrungen nach Hügelgräbern gemacht. Bis 1960 stand auf dem Gipfel eine Linde.

 Stigel, Stiegele: Leiterartige Vorrichtung zum Übersteigen z.B. eines Hags.

 Stöckers (Mä(h)dle, Deckers Mä(h)dle): Nach einem Familiennamen?

 

 Talgang, Thalgang, Langental, Langes Tal, im Tal: Weg, den die Regen- und  Schmelzwässer nehmen.

 Triangel, -weg: Dreiecksform.

 Trieb: Viehtrieb.

 

 Überzwerche Heerstrag: Querlage, alte Heerstrage. 

 Unter dem großen Stein (1470 erwähnt): Felsstück.

 Unteres Thor: Tor gegen Hohenstadt.

 Unter Warth, Unterwerth, Wart, Wört: Ursprünglich Insel. Meist in Wassernähe gelegen; schon 1470 erwähnt.

 

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 Waichstetten, Waydstetten, Weidstetten: Besonders vermarkter Bezirk zwischen Machtolsheim und Laichingen. Auf diesem Feld hatte der Staat den Kleinen Zehnten. Mähder auf W. schon 1581 erwähnt.

 Wanne, Wannenweg: Bodensenke östlich vom Dorf 

 Wasserstein, Waßerthal: Hinweis auf Felsen und Entwässerung.

 Westerlauh : Wald im Westen.

 Wippuch, Witbuch: Witt = Holz.

 

 Zankäckerle: Streit, Hader.

 

Hans Dreher

 

 

2. Älteste Geschlechts- und Rufnamen

 

Von den nachstehend aufgeführten Familiennamen sind nur einige erhalten geblieben. Die Kinderzahl war zwar häufig sehr groß, aber Seuchen und die übliche Kindersterblichkeit löschten manchmal ganze Familien aus. Dennoch hatte fast jeder Hof und jede Söld einen männlichen Erben, der den angestammten Namen weiterpflanzte. Anders war es aber, wenn eine Tochter in den Besitz des Erbes kam. Auswärtige Burschen waren dann darauf bedacht, einzuheiraten. Die Folge davon war dann ein neuer Familienname im Dorf. Oft blieb es jedoch beim Hausnamen; amtlich aber galt der Name des neuen Bürgers.

 

Familiennamen:

 

Mitte des 15. Jahrhunderts lebten in Machtolsheim die Baumann, Braitinger, Buder, Bürer, Bychel, Dürner, Eschay, Farin, Federlin, Gramer, Hießlin, Hummel, Käm, Lutz, Meyer, Müller, Pflüger, Röscheisen, Schall, Trutmann, Widmennin, Wortwin und Zimmermann. Die Dürner saßen auf den Meierhöfen, die restlichen auf den übrigen Höfen.

Hans Reichlin, Haintz Such und Ulrich Wortwin hatten Lehen inne, die Söldner und übrigen Einwohner hießen Aichhurn, Allgöwer, Barth, Bäumler, Baur, Baumann, Beckh, Bender, Betz, Böbel, Bruder, Buckh, Bückhlin, Cast, Cästlin, Claus, Dählin, Däschenhalm, Dentzlel, Feurer, Finckh, Fritz, Füßlin, Glockher, Groß, Grüesinger, Häfner, Hagmeyer, Härbin, Harscher, Hasenschencklin, Hauff, Haug, Hirschlin, Hurm, Kalgschmidt, Keßler, Köllin, Kopp, Küffhaber, Leb, Littlin, Lob, Mayer, Moll, Neher, Nüßle, Ochsenwang, Rayber, Rapp, Reichlin, Reiner, Reulin, Sautter, Schemel, Scheyblin, Scholz, Schwenkh, Seindt, Siehler, Sigler, Söll, Sommer, Stammler, Steeb, Such, Taiglin, Tefer, Teurer, Tod, Treher, Trutmann, Wagner, Wallter, Weeberruß, Wegst, Weiss, Werner, Widenmann, Winner, Yselin und Zeifang.

 

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Taufnamen :

 

Ambrosi, Andreß, Anthoni, Aubelin, Anna, Hell, Balthasar, Bartholomä, Benz, Bernhardt, Bonifaci, Carlin, Caspar, Christian, Claus, Conrad, Cuntz, Catharina, Daniel, David, Engel, Fritz, Georg, Greth, Hans, Hans Gorg, Haintz, Heinrich, Jacob, Johann Ludwig, Jörg, Jos, Joseph, Leonhardt, Ludwig, Luckburg, Martin, Marx, Matthäus, Melchior, Michel, Paulin, Peter, Philipp, Rudolph, Sebatian, Simon, Steffen, Theus, Thoma, Ulrich, Ursula, Walter und Wilhelm. Wir sehen, einige dieser Rufnamen haben sich aus der katholischen Zeit herübergerettet. Die weiblichen sind in dieser Zusammenstellung in der Minderzahl, weil die Lagerbücher in der Regel die Namen der Männer verzeichnen.

 

 Hans Dreher

 

 

Kirche und Friedhof

 

anläßlich der Innenrenovierung der Kirche in den Jahren 1963/64 befaßte ich mich eingehend mit der Baugeschichte des Gotteshauses und des Turms. Meine Beobachtungen und Erkenntnisse möchte ich hier wiedergeben.

Zuerst wurde der Plattenboden entfernt und der Bauschutt bis zu einer Tiefe von 30 cm abgetragen, wo man auf einen alten Fußboden stieß, den man bereits bei der Erneuerung von 1929 freigelegt hatte. Er bestand aus quadratischen Tonplatten, deren Seitenlänge 14,5 cm beträgt. Sie sind zum Teil auf der Oberfläche mit verschiedenen Ornamenten versehen, die ansprechendgehalten sind.

 

Die Frage, wann dieser Boden in die Kirche eingebracht worden ist, kann nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Nach Aussagen des Ulmer Museums wurden derartige Platten ab 1350 hergestellt und benützt. Es fiel aber auf, daß diese Tonplatten nur im offensichtlich ältesten Teil der Kirche anzutreffen waren.

Ferner war bemerkenswert, daß sie auf der Nordseite in besonders großer Anzahl vorhanden waren, während auf der Südseite nur wenige vorkamen. Es wäre also durchaus denkbar, daß jene Plättchen kurz nach 1350 gelegt worden sind.

 

Es handelt sich bei ihnen um den ersten sicher nachweisbaren Fußboden. Wenn aber die Kirche- was noch gezeigt werden wird - auf die Zeit von etwa 1260-80 zurückgeht, dann muß vor dem Tonplattenboden noch ein anderer Fußboden vorhanden gewesen sein. Um dieser Sache weiter nachzugehen, wurden an verschiedenen Stellen des Kircheninneren Grabungen durchgeführt, um ein Bild zu erhalten über die Schichtenfolge unterhalb des Tonplattenbodens. Dabei hat es sich auf der Südseite, im Chor beim Eingang zur Sakristei, im Sakristeieingang selber, sowie in der Sakristei gezeigt, daß in einer gewissen Tiefe Anzeichen auftreten für das frühere Vorhandensein eines Holzfußbodens. Im Schiff fanden sich Hinweise darauf in einer Tiefe von etwa 22 cm unter dem Tonplattenboden. Vom früheren Sandsteinplattenboden, der 2-3 cm unter dem jetzigen lag, waren es bis zum Holzfußboden gute 50 cm. Im Chor und im Sakristeieingang waren es demgegenüber nur 23 cm im Schnitt bei den verschiedenen Messungen.

 

Daraus ist wohl der Schluß zu ziehen, daß der Chorraum und auch die Sakristei zunächst um eine gute Stufenhöhe über dem Schiffsraum lagen, was durchaus verständlich wäre. Für das einstige Vorhandensein eines Holzfußbodens spricht auch der Umstand, daß an mehreren Stellen zwischen Tonplatten und Holzboden ein eigener Steinsatz festgestellt werden konnte. Im Sakristeieingang und in der Sakristei selber wurden die Grabungen bis in eine Tiefe von etwa 100 cm vorgetrieben. Der Steinsatz reichte bis in jene Tiefe, doch wurden dort erstmals auch Lehmspuren angetroffen - Anzeichen dafür, daß von hier ab der gewachsene Boden langsam beginnt. Grabungen am Südostpfeiler auf der Außenseite der Kirche, sowie am Nordostpfeiler haben bei etwa 120 cm stark lehmhaltige Erde zutage gefördert. Probegrabungen in der Nähe des Südeingangs haben gezeigt, daß dort der Lehmboden schon in einer Tiefe von 105-110 cm unter dem Normalniveau des Friedhofs anhebt.

 

Hier wurde nebenbei auch ein Grab; und zwar unmittelbar vor dem Südeingang freigelegt, das

nur 90 cm unter dem jetzigen Friedhofniveau sich befindet. Gewiß wäre hier der Tote tiefer gebettet worden, wenn nicht bei der vorgenannten Tiefe der Lehmboden mit Steinen vermischt beginnen würde. Nachfragen beim Totengräber haben ferner ergeben, daß die dunkle Humuserde im Ostteil des Friedhofs 140-160 cm tief reicht. Erst auf diesem Niveau gewinnt der Lehm die Oberherrschaft. Hieraus ist der Schluß zu ziehen, daß der ursprüngliche Erdboden deutlich nach Osten, vielleicht auch nach Nordosten einfiel. An der Nordostmauer des Kirchhofs ist ja die dunkle Erde mehr als 2 m hochgewachsen. Dieses Resultat der Grabungen stimmt mit dem Ergebnis der Vergleiche mit der näheren Umgebung des Kirchhofs überein.

 

Auch wurde der Frage nachgegangen wie lange der Kirchhof hier schon besteht. Aus der Differenz zwischen der bisherigen obersten Sandsteinstufe am Südeingang und dem jetzigen Friedhofniveau könnte ein Wachsen des Kirchhofs in 100 Jahren um etwa 10 cm angenommen werden. Damit kämen wir für die 700 Jahre seitdem die Kirche besteht nur auf ca. 70 cm. Wenn aber im Osten gegen 140 cm Erde dem ursprünglichen Boden aufliegen, könnte der Friedhof auch noch älter sein, es sei denn man nimmt an, daß gerade dort zunächst Erde aufgeschüttet wurde, um die Bestattungen besser durchführen zu können. Wenn man die durchschnittliche Stärke der Humusschicht im Friedhof auf 40 cm veranschlagt, dann ist die Differenz im Westen geklärt, während im Osten noch ein gewisser Rest bleiben würde. Vielleicht hat eben der ursprüngliche Friedhof hiergelegen.

 

Bei den Böden der Kirche ergäbe sich hiermit folgendes Bild: zuerst Holzfußboden (ungeklärt wann gelegt, aber spätestens 1260-80), dann Tonplattenboden (nach 1.350), Schwarzjuraplattenboden (1750), Sandsteinplattenboden (1860). Der Tonplattenboden umfaßt also einen relativ großen Zeitraum. Es ist darum wahrscheinlich, daß die verschiedenen Ornamente auf der Oberfläche zu verschiedenen Zeiten gehören und also der Boden verschiedentlich ausgebessert wurde, wobei jeweils die neuen Platten verwendet wurden.

 

Alles Holzwerk wurde aus der Kirche entfernt, ausgenommen die Kanzel. Sie blieb an der alten Stelle stehen. Diese Kanzel hat mehrere Male in ihrer Geschichte ihren Platz gewechselt. Wann sie gefertigt worden ist, ist nicht zu klären. Auf Grund ihres Stils schließt Dr. Graf Adelmann, daß sie bereits 1599 ihre Aufstellung fand. Die Bauchronik weiß jedenfalls zu berichten, daß sie 1686 von Peter Schwenk, Schulmeister aus Laichingen schwarz glänzend angestrichen worden sei. Damals hat sie auch ihre Vergoldung und Versilberung erhalten. In eben diesen Farben ist sie nun renoviert worden. 1737 erfolgte die Anfertigung des Kanzeldeckels durch Johann Georg Straub, Maler und Bildhauer zu Wiesensteig. Auf ihn gehen auch dessen Verzierungen zurück. Der Deckel verrät Geschmack und Können.

 

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Der Altar, der gründlich renoviert wurde, stammt vom Jahre 1700. Er wurde von Johannes Roschmann aus Ulm hergestellt. Die beiden Engel über dem Altaraufbau rühren von dem augsburgischen Bildhauer Johannes Grüllen her. Über das Kruzifix ist nichts Genaueres überliefert, doch gehört es sicher nicht in die Barockzeit, sondern nach Meinung von Restaurator Eckert in die Zeit von 1520-30, also in die auslaufende hohe Zeit der Holzschnitzkunst. Der Steintisch wurde bereits in der vorreformatorischen Zeit aufgestellt, da er einen kleinen Raum, zur Aufnahme der Reliquie bestimmt, enthält. Das Altargitter ist im Jahre 1729 von Johann Conrad Kurz aus Blaubeuren angefertigt worden. Zunächst war man wenig damit zufrieden, weil es "zu hoch ausgefallen sei". Anstrich und Vergoldung des Gitters besorgte P. Schwenk in Laichingen, der zuvor schon an der Kanzel tätig gewesen war.

 

1830 wurde der Altar abgeändert. An die Stelle der bisherigen Seitenflügel traten die beiden Holzfiguren Christus und Mose. Außerdem erhielt der Altar neue Farben. Das Altarbild in der Mitte wurde erst 1860 angebracht. Es stammt von dem Maler Mayer aus Wiesensteig. Der Abendmahlsbericht auf der Predella darunter ist jedoch wesentlich älteren Datums. Jene gehörte wohl schon zum ursprünglichen Altar.

 

Einst stand in unserer Kirche ein romanischer Taufstein, der aber spurlos verschwunden ist. Der jetzige ist noch nicht alt. 1894 wurde er in der Mitte des Platzes vor dem Altar aufgestellt. Die Orgel wurde 1807 von dem Orgelmacher Andreas Goll aus Weilheim gefertigt. Auch an ihr hatte man zuerst verschiedenes auszusetzen. Sie sei ein "schreiendes, grillendes Werk", so heißt es von ihr.

 

Deshalb wurde 1822 ihr heller Cornet-Ton in einen Kammer-Ton umgewandelt. Ihre Vorgängerin, die im Jahre 1716 aufgestellt worden war, hatte bis 1752 ihren Platz neben der Kanzel. Wegen der Mauerdurchbrüche - um einerseits einen guten Zugang zur Kanzel zu haben und um andererseits die Orgel recht unterzubringen - trat um die Mitte des 18. Jahrhunderts dort eine deutliche Senkung des Chorbogens ein, so daß auf der Außenseite ein Pfeiler angebracht werden mußte, um die Gefahr eines Einsturzes des Kirchturmes zu bannen. Aber bei der Renovierung von 1929 mußte aus demselben Grund eine neue Chormauer, wenigstens bis zu einer gewissen Höhe, aufgeführt werden. Bei der jetzigen Erneuerung zeigten sich auf der Nordseite der Chorwand starke Risse im Mauerwerk, die mit Backsteinen ausgebessert werden mußten.

 

Die Empore und ihre Geschichte erwies sich interessanter als zunächst abzusehen gewesen war. Sie datiert nicht aus dem Jahre 1617 sondern 1599. Die Gemälde auf der Emporenbrüstung im Westen und Osten führen mehrmals die Jahreszahl 1599 auf und zu allem Überfluß ist auf einem der Bilder noch angegeben, daß in diesem Jahre "das Bäulein" errichtet worden sei. Dieser Bilderzyklus kam völlig überraschend unter den Apostelbildern hervor. Man hatte bis jetzt noch nichts von seiner Existenz gewußt, da eigenartigerweise hierüber auch nichts aufgeschrieben worden war. Die 14 Christus- und Apostelbilder sind vom Jahre 1779 und von dem Maler Joseph Baader aus Bebenhausen gemalt worden.

Sie hingen ursprünglich zwischen den Fenstern auf der Südseite der Kirche. An der Emporenbrüstung war eine Anzahl von sogenannten Katechismusbildern angebracht, die im 19. Jahrhundert von den Apostelbildern verdrängt wurden. An der Brüstung unterhalb der Orgel hing bis zur Renovierung ein wertvolles Bild, das 1842 von Pfarrer Kröner gestiftet worden war. Es wurde nach Ausweis von Dr. Schahl, Stuttgart, in der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts gemalt und gehört der manieristischen Stilepoche zu. Jetzt hängt es an der Südwand des Kirchenschiffs neben der Empore. Die vier Holzfiguren der Kirchenväter haben nun ihren Platz an der Kanzel gefunden und deren Reiz damit erhöht. Das Epitaph des Pfarrers Magister Johann Ludwig Wagner, das ihn, seine Gattin und seine 17 Kinder darstellt und das bis jetzt am Emporenaufgang hing, trägt die Jahreszahl 1651 . Es hat nun einen besseren Platz gegenüber der Kanzel erhalten.

 

Vor 1599 scheint keine Empore vorhanden gewesen zu sein. 1686 wurde sie erweitert. Das nordöstliche Stück, das jetzt auch wieder - um des Aussehens der Empore willen - weggelassen worden ist, wurde erst nach 1752 angebaut, wahrscheinlich aber erst im 19. Jahrhundert als man in der Kirche mehr Platz brauchte.

 

Die alten Fresken an der Nordwand der Kirche verdienen besondere Erwähnung. Schon bei der Kirchenerneuerung um 1887 war man auf sie gestoßen, fand sie aber durch den Emporeneinbau so verderbt vor, daß man nicht mehr versuchte, sie zu restaurieren. Der Bilderzyklus wurde, soweit er unter dem Verputz erhalten geblieben war, wieder hergestellt. Es handelt sich hierbei um Bilder aus dem Marienleben, denn die Kirche war ja "Unserer lieben Frauen" geweiht worden. Von Westen nach Osten sind abgebildet: Christophorus, Verkündigung Mariä, durch Einbruch der neuen Emporentür vollends zerstört: die Erscheinung der heiligen drei Könige, Flucht nach Ägypten und Tod Mariä.

 

 Letztere beiden können noch als solche identifiziert werden. Die Bilder weisen auf ein beachtliches Können bei dem unbekannten Meister hin. Sie sind wohl um das Jahr 1350 anzusetzen. Die riesige Gestalt des Christophorus reichte ehedem herunter bis zum Boden der Kirche. Im übrigen scheint die östliche Hälfte der nördlichen Schiffswand ganz bemalt gewesen zu sein, da sich Farbenreste auch links neben dem nördlichen Kirchausgang vorfanden, und zwar über der Stelle, wo bis 1958 der Kohlenofen stand. Eine interessante Entdeckung wurde links vom Emporenausgang gemacht, wo unter dem Verputz unmittelbar auf dem Steinwerk romanische Malereien freigelegt wurden, die zum Teil auf der Innenseite eines zweifelsohne romanischen Fensters und weiter links in Richtung auf das ovale Fenster angebracht waren. Sie bestanden aus rötlichen Punkten, die felderartig angeordnet waren. Jenes Fenster muß bereits sehr früh wieder zugemauert worden sein, da die gotische Malerei von 1350 sich schon über dieses Fenster hinwegzieht. Es ist anzunehmen, daß das Fenster aus eben dem Grunde beseitigt wurde, um eine einheitliche Fläche für die Anbringung des Marienbilderzyklus zu gewinnen. Somit befinden sich auf der Empore die verschiedenen Malereien in unmittelbarer Nachbarschaft beieinander. Auf die romanische folgt die gotische, von der ebenfalls bereits die Rede war. Hierauf eine ganz einfache aus der Renaissance, von der ein kümmerlicher Rest rund um das Ovalfenster erneuert worden ist.

 

Weitere Reste der letzteren wurden, freilich stark zerstört, beim südlichen Kirchausgang angetroffen, außerdem spurenhaft am Chorbogen und auf dem östlichen Teil der südlichen Schiffswand. Hier ist auch noch auf die einstige Bemalung des Chores einzugehen. Unter fünf Verputzschichten legten die Restauratoren auch hier kleine Reste einer wohl romanischen Malerei frei. Sie dürfte in die gleiche Zeit gehören wie die neben dem Ovalfenster aufgedeckte. Auch die folgende Schicht wies Farben auf. In dem kleinen Chorfenster waren die Kirchenmaler in der glücklichen Lage, ansehnliche Reste der gotischen Darstellungen aufdecken zu können. Hier stoßen wir auf St. Katharina. Ihr gegenüber steht auf gleicher Höhe eine zweite Frauengestalt, vielleicht St. Barbara. Über beiden aber schwebt mit ausgebreiteten Flügeln der Heilige Geist. Die vier Evangelisten in den Ecken des Chors sind gleichzeitig mit der stuckierten Gipsdecke angebracht worden. Auch sie sind jetzt mit glücklicher Hand in der Farbgebung erneuert worden.

 

 Damit stehen wir bei unserer Kirchendecke, die ohne Zweifel den größten Schmuck unserer Kirche darstellt. Über ihre Entstehung sind wir durch Aufschriebe gut unterrichtet, ebenso ihre Geschichte. Angebracht wurde sie im Jahre 1712 durch den Degginger Stukkateur und Bildhauer Johann Ulrich Schweizer. Er war Glied einer bekannten Künstlerfamilie, die sich auch an anderen Orten nachweislich in Reliefdarstellungen hervortat. Leider ist die Ausstattung des Kircheninneren von Laichingen aus derselben Zeit und von demselben Meister schon lange abgegangen (1851). Nur ein kleiner Rest des künstlerischen Schaffens Schweizers ist dort in der Sakristei erhalten geblieben.

 

Zwei Schilder, in denen die Namen der bisherigen Laichinger Pfarrer aufgeschrieben sind, werden von je zwei Engeln flankiert, die schon auf den ersten Blick ihre Ähnlichkeit mit den Engeln an unserer Kirchendecke zu erkennen geben. Ein ähnliches Schild, wohl ebenso flankiert von Engeln befand sich einst auch in unserer Sakristei. Nach Angaben von Stadtarchivar Oelhafen, Laichingen, hing Schweizer mit keiner eigentlichen Kunstschule zusammen. Man wird ihn als Autodidakten ansprechen müssen, der sich seine Kunst selber angelernt hat. Weitere Arbeiten der Degginger Schweizer-Familie insgesamt sind zu sehen: in der Reutlinger Marienkirche, wo eine Stuckkanzel von Johann Ulrich Schweizer zu erblicken ist. Ferner die katholische Pfarrkirche von Deggingen, die Stukkaturarbeit der Familie Schweizer, sowie die bekannte Barockkirche Ave Maria bei Deggingen, die einen reichen Stuckaltar der Schweizer enthält.

 

Schließlich ist noch auf Schloß Baldern bei Bopfingen hinzuweisen, wo der sogenannte Kaisersaal ebenfalls von Jakob und Ulrich Schweizer um 1730 mit Stuckdekoration versehen worden ist. Ich beziehe mich bei diesen Angaben auf Archivar Oelhafen und Julius und Ruth Wais in ihrem Albführer. Ursprünglich war die Decke weiß. 1737 gaben einige Bürger das Geld her zum Bemalen der beiden Wappen und wohl auch der Kreuzigungsgruppe an der Südwand. 1746 benützte man die Gelegenheit einer Ausbesserung der Gipsdecke durch Johann Jakob Schweizer aus Deggingen und ließ durch diesen die ganze Decke "illuminieren", wie man damals so schön sagte, also bemalen.

Später scheint die Decke ordentlich gehalten zu haben, denn die nächste Erneuerung daran wird erst aus dem Jahre 1804 berichtet, als man an eine neuerliche Ausmalung derselben ging. Sie wurde von einem gewissen Jegg - nomen est omen! - aus Deggingen besorgt, fiel aber nach allgemeiner Ansicht und trotz hoher Bezahlung schlecht aus. Reste dieser Bemalung - oder Beklecksung! - sind in den beiden Wappen und in der Kreuzigungsgruppe erhalten geblieben. Es ist das Verdienst der Fa. Eckert, Mergentheim, die erste Bemalung in monatelanger, mühseliger Arbeit wieder freigelegt zu haben und die neue Bemalung im Geiste der Schweizer und in hervorragender Einfühlung in das Ursprüngliche durchgeführt zu haben. Im Jahre 1860 wurde die Decke weiß gestrichen, 1887 wurden ihre Farben leicht abgetönt, wobei nicht ganz klar ist, was darunter zu verstehen ist. 1929 wurde auch die Stuckdecke stark ausgebessert. Spuren davon waren jetzt deutlich zu erkennen, da die ergänzten Stellen sich nicht sonderlich harmonisch in das Alte eingefügt hatten.

 

Zur Kirche gehört auch die Sakristei. Wann sie erbaut wurde, kann nicht gesagt werden. Bei den Grabungen zeigte es sich aber, daß der südliche, an den Chor angeschlossene Teil denselben Steinsatz aufwies wie die Kirche selber. Daraus mag wohl geschlossen werden, daß sie zur selben Zeit wie die älteste Kirche entstand. Im Kirchengrundbuch von 1827 findet sich der Eintrag, daß die Sakristei im Jahre 1712 erweitert worden sei, also im gleichen Jahre, da das Schiff seine Stuckdecke erhielt. Gleichzeitig wurde das nach Westen anschließende Gewölbe, in dem von da ab der sogenannte "Heiligenschatz" aufbewahrt wurde, aufgeführt. Wahrscheinlich wurde 1743 dann auch der Emporenaufgang von Norden her in der Form, wie er bis jetzt erhalten geblieben ist, bald aber durch neue Aufgänge ersetzt werden soll, angebaut. 1712 bekam die Sakristei eine ähnliche Stuckdecke wie die Kirche. Von dem durch zwei Engel flankierten Schild, in dem die Namen der Machtolsheimer Pfarrer seit der Reformation aufgeführt waren, war bereits die Rede.

 

Schließlich ist noch von der Kirche als Ganzes zu reden. Hier ist vorauszuschicken, daß an diesem Punkte noch am meisten unklar ist, obwohl die Kirchenerneuerung wichtige neue Erkenntnisse bezüglich ihrer Geschichte erbracht hat. Früher nahm man an, daß die Kirche 1488 erbaut worden sei, also in einer Zeit, da noch viele andere Dorfkirchen in unserem Lande entstanden oder auch neu errichtet worden sind. Aufgrund der Beobachtungen, die bei der Renovierung gemacht wurden, kann nun mit Sicherheit gesagt werden, daß dies nur bedingt richtig ist. Schon früher war am Turm aufgefallen, daß er romanische Bauelemente aufwies. Man hatte deshalb angenommen, daß jener schon um die Mitte des 12. Jahrhunderts errichtet worden sei. Nun hat aber der Bearbeiter der berühmten Kunstgeschichte von Dehio daraufhingewiesen, daß seines Erachtens die Bauzeit des Turmes in die Jahre zwischen 1260-80 gelegt werden müsse.

 

Hinsichtlich der Kirche selber tappte man bis dato im Dunkeln. Beim Entfernen des Wandverputzes zeigte es sich aber, daß die östliche Hälfte der nördlichen Schiffsmauer zweifellos weit älter ist, als bisher angenommen wurde. Dafür spricht das romanische Fenster in dieser Wand samt den zugehörigen Malereien aus dieser Zeit. Ferner sind die Fresken von 1350 auf ihr angebracht, die genau an der Baufuge in der Mitte der Kirche abbrechen. Der Tonplattenboden, wahrscheinlich aus derselben Zeit, hört ebenfalls auf dieser Höhe auf. Im westlichen Teil der Kirche liegt unter dem jetzigen Boden sehr viel Bauschutt. Er kam wohl 1750 hierher, als der Schwarzjuraplattenboden gelegt wurde. Kurz vorher hatte im Orte eine große Feuersbrunst gewütet. Es ist sehr wohl möglich, daß der hierbei angefallene Schutt beim Legen der neuen Platten, die ca. 30 cm höher als der Tonplattenboden kamen, als Grundlage Verwendung fand.

 

An der südlichen Schiffsmauer hingegen konnten keine sicheren Spuren festgestellt werden, die auf die Zeit vor 1488 verweisen würden. Hier fehlte die Baufuge in der Mitte, obgleich auf der Außenseite ein deutlicher Knick in den horizontal verlaufenden Kragensteinen festzustellen ist. Es scheint, als sei die südliche Schiffsmauer 1488 ganz neu aufgebaut worden. Dafür spricht auch der Umstand, daß diese Mauer in ihrer ganzen Länge eben jene Kragensteine enthält, die an der nördlichen, älteren Mauer fehlen, ebenso auch am Kirchturm. Dort sind sie nur an den östlichen, älteren Pfeilern anzutreffen, deren einer übrigens kaum zufälligerweise die Jahreszahl 1488 trägt.

 

Bei den Türen fiel folgendes auf: Früher waren im Kirchenschiff zwei weitere Türen vorhanden, die Umrisse der einen fanden sich etwa in der Mitte der Südwand auf der Außen- und Innenseite vor. Sie ist wohl erst in jüngerer Zeit zugemauert worden. Dasselbe ist wohl auch von der Türe auf der Nordseite, genau gegenüber dem Haupteingang, zu sagen. Sie wurde nur halb zugemauert. Der obere Teil wurde zu einem Fenster umgestaltet.

 

Die Innenrenovierung konnte im März 1964 abgeschlossen werden. Die Einwohner hatten sich durch Arbeitsleistung und Spenden im Wert von über 40000,- DM beteiligt. Im Jahre 1969 wurden Pedal und Werk der Orgel auf zwei Manuale ausgelegt. Sie hat jetzt 14 Register, der Aufwand betrug 60000 DM. 1971 konnte das Geläut durch eine vierte Glocke ergänzt werden. Abschluß der umfangreichen Arbeiten war die Außenrenovierung, so daß sich heute Kirche und Turm in einem guten Zustand befinden.

 

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Neben den Gottesdienstbesuchern wissen auch viele Kunstkenner die Schönheit des Bauwerks zu schätzen. Bedauert wird allgemein, daß der in den letzten Kriegstagen abgebrannte Turm nicht in der ursprünglichen Form wiederaufgebaut werden durfte. Eine statische Berechnung ergab, daß das Fundament den Belastungen eines höheren Turms nicht gewachsen war. Bereits im Jahre 1929 mußten Sicherungsarbeiten durchgeführt werden. So blieb nur die Möglichkeit des Aufbaus in der heutigen Form.

 

 Helmut Bauer

 

 

Ein Pfarrer bemängelte, daß Kleinkinder von den Eltern in die Christenlehre mitgenommen würden. Er mußte sich sagen lassen, daß die Meinung bestehe, daß Kinder, die im ersten Lebensjahr in die Kirche gebracht würden, später in der Schule besonders gut lernen würden.

 

Von 1714 bis 1849 gab es eine Kirchenmusik mit Posaunen und Klarinetten. Dazu waren 8 Personen angestellt, 4 Musiker erhielten jährlich je 4 Gulden, die übrigen 2 Gulden. Dazu gab es noch einen Vorsänger, der vom Schulmeister angelernt und mit 5 Gulden jährlich bezahlt werden mußte. Erst 1965 wurde wieder ein Posaunenchor gegründet.

 

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Baugeschichtliche Übersicht

 

Nachdem die Römer aus Südwestdeutschland verdrängt waren, schlugen unsere Vorfahren immer dort ihre Pfosten in den Boden, wo ihnen die Umgebung die größte Chance bot zu überleben. Man nahm sogar kargen Boden in Kauf und ein besonders rauhes Klima, wie die Besiedelung der Hochfläche der Schwäbischen Alb beweist. Niemals wäre man auf die Idee gekommen, sich in einem der großen Wälder niederzulassen, auch wenn er fruchtbarsten Boden geboten hätte. Es fehlten noch die Geräte, den Wald in größerem Umfang zu roden. Die Versuche der experimentellen Archäologie haben bewiesen, welche Sisyphusarbeit allein das Fällen einer einzigen Eiche mit den damaligen Beilen bedeutete. In der weiten Nachbarschaft war der Wald jedoch gern geduldet, als Lieferant für Bau- und Brennholz, und als natürliche Grenzbarriere zwischen zwei Stämmen. Da die Alemannen ihre Dörfer nicht befestigten, schützten sie ihr Gebiet auf diese Weise. Die Bauernhöfe der ersten Siedler waren in sich abgeschlossene völlig autarke Kleinbetriebe. Man produzierte vom Kochtopf bis zum Pflug alles selbst. Erst nach und nach entwickelten sich gewisse Fertigkeiten zu Handwerksberufen. Bis dahin baute jede Familie ihr Haus selbst.

 

War ein Haus errichtet, so kamen bald mehrere hinzu. Jeder baute dort, wo es ihm am günstigsten erschien, umgab Hof und Garten mit einem Zaun. Das Ganze bildete bald ein Netz von krummen und winkligen Gassen, einen "wilden Haufen", und Haufendorf ist auch der Ausdruck für eine solche Siedlung. Das einzig Planvolle bei der Anlage der Haufendörfer schien das Bestreben zu sein, zwischen sich und dem Nachbarn Abstand zu wahren, man wollte anscheinend schon damals "seine Ruhe" haben, ohne deswegen ganz auf Kontakt verzichten zu müssen. Trotz allem lag so ein Dorf harmonisch eingebettet in der Landschaft und wirkte wie ein Teil ihrer selbst, weil das Material der Häuser dieser Landschaft entstammte. Holz, Lehm, Rinde und Reisig, zum Teil auch Steine waren die ursprünglichen Baustoffe. In welcher Zusammenstellung sie angewandt wurden, hing davon ab, in welchem Landstrich man lebte. In unserer Gegend baute man Holzgerüste, deren Zwischenräume man mit Reisig ausfüllte, um die Gerüststämme wand und mit Lehm bewarf.

 

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Eine Technik, die sich als Fachwerk bis in die Neuzeit erhalten hat. Das Dach hatte Sattelform und war mit Stroh gedeckt, in anderen Gegenden auch mit Schilf oder Grasplagen. Die Häuser waren unterschiedlich groß, je nachdem wie viel Vieh der Besitzer unterzubringen hatte, denn der ganze Viehbestand wohnte mit den Menschen unter einem Dach. Der Typus der sich bei Ausgrabungen am häufigsten fand, bestand aus einem Rechteck von 8-10 Meter Länge und 4-6 Meter Breite. Die tragenden Pfostenreihen teilten das Innere in drei Längsräume, die bis unters Dach keine Trennwände hatten. An den Wänden entlang lief ein Podest, das mit Fellen bedeckt, als Sitzbank und Schlafpritsche diente. In der Mitte des Hauses stand eine aus Feldsteinen errichtete Feuerstelle, Herd und Ofen zugleich, deren Rauch durch eine Öffnung am First abzog. Der Fußboden bestand im Wohnteil aus Steinpflaster oder Holzbohlen, der im Stallteil aus festgestampftem Lehm. Die Kühe standen mit dem Kopf zur Wand in einzelnen Boxen, an denen die Jaucherinnen entlang führten. Zwei Türen an den beiden Längsseiten führten in das Innere, Fenster gab es nicht, allenfalls Luken.

 

Alles in allem waren diese Langhäuser keine luxuriöse Unterkunft. Der römische Geschichtsschreiber Tacitus bemängelte, daß die Erbauer auf ein gefälliges Äußeres überhaupt keine Rücksicht nähmen, Plinius spricht sogar von elenden Hütten. In Wahrheit war das oberste Prinzip dieser Hausbauer wohl die Zweckmäßigkeit. Es kam darauf an, eine Unterkunft zu haben, die gegen Regen, Schnee und Kälte schützte. Erfüllte es diese Bedingungen, war es auch ein gutes Haus. Auf Schönheit legte man erst viel später Wert, als man daran ging die Giebelseiten mit Farbe und Schnitzereien zu verzieren. Die einzelnen Höfe wurden von Familien bewohnt, zu denen nicht nur die Eltern und Kinder gehörten, sondern auch Großeltern und Enkelkinder, so daß sich bis zu drei Generationen unter einem Dach vereinten. Aus der Zahl der Gräber hat man die ungefähre Zahl der Bewohner der Ur-Dörfer errechnen können. Sie dürfte im Durchschnitt 80 bis 100 Köpfe betragen haben. Größere Siedlungen sind bis jetzt nur an der Nordseeküste bekannt, die zum Teil 40 bis 50 Gehöfte umfaßten.

 

Bis ins frühe Mittelalter blieb der Hausbau mit großen Problemen verbunden. Als Dach hatte sich eine flach geneigte Pfettenkonstruktion herausgebildet, die ohne viel Holzbearbeitung mit rohen Baumstämmen möglich ist. Den einfachen Fachwerkwänden konnte man unmöglich zutrauen, das Dach allein zu tragen. So wurden alle Ständer der Pfetten bis zum Boden durchgeführt. Eine Reihe von Ständern unter der Firstpfette und zwei weitere Reihen unter den Seitenpfetten erschwerten die Erschließung von der Giebelseite. Der Abstand der Reihen konnte ohne umfangreiche konstruktive Veränderungen nicht vergrößert werden. Dagegen war von der Traufseite jede Raumverteilung möglich, da man die Ständer in der Längsrichtung verschieben konnte. Während man im Norden Deutschlands in den "Nur-Dach"-Häusern einen freien Dachraum anstrebte und zur Kehlbalkenkonstruktion überging, blieb man im Süden bei der Pfettenkonstruktion. Für die nötigen Räume der Vorratshaltung brauchte man nicht den Dachraum, sondern verlängerte das Haus um ein "Viertel".

 

Damit blieben in Süddeutschland die Ständerreihen der Dachkonstruktion ausschlaggebend für die Anordnung der Räume im Innern des Hauses. Zuerst bildete der Öhrn oder Ern mit dem Herd als Kochstelle und Wärmespender den Mittelpunkt des Hauses. Später wurde aufgrund der verbesserten Lebensgewohnheiten ein besonderer Raum als Küche abgetrennt. Die Räume zum Giebel an der Hof- oder Straßenseite wurden zum Wohnen und Schlafen genutzt. Im anderen Teil des Hauses waren der Stall und die Wirtschaftsräume untergebracht. Diese Einteilung hat sich im wesentlichen bis ins 20. Jahrhundert bewährt und erhalten. In den langen und kalten Wintern half die natürliche Wärme der Tiere neben dem Wohnbereich, das Haus warmzuhalten und Brennholz einzusparen.

 

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In besonders kalten Wintern füllte man die vorderen Stuben bis unters Dach mit Stroh und die Familie verbrachte den Winter im Ern an der warmen Feuerstelle. Die Ende des 15. und Mitte des 16. Jahrhunderts einsetzende rege Bautätigkeit führte zu der ersten Bauordnung des "Fürstentums Würrtemberg". Das "wilde" Bauen sollte in geordnete Bahnen gelenkt werden, und zwar von Grund auf durch neu aufzustellende Bauordnungen. Das Verbot der Strohdächer und der hölzernen Schindeln 1495 fand in den Dörfern keine Beachtung, da es sich in erster Linie auf die eng aneinandergebauten Stadthäuser bezog. Die übrigen Verordnungen jedoch wirkten sich auch auf die Bauweise im ländlichen Bereich aus. Nach der Bauordnung von 1568 müssen das Sockelgeschoß und die beiden Nebenseiten bis unters Dach in Stein gemauert sein. Bei den Bauten unvermögender Leute war ein 3-4 Schuh hoher Steinsockel über dem Erdboden als zulässig bezeichnet. Für die Fachwerkwände müssen die Zwischenpfosten enger gestellt werden und die Balkenfache dürfen nicht mehr von "stickstecken, gerten und levmen" (Lehm) gemacht werden. Die engeren Gefache müssen mit "Schroppen" (Feldsteinen) oder Backsteinen ausgemauert werden. Riegel und Bügel sind oben und unten einzuzapfen. Das vor dem übliche Anblatten solcher Halbhölzer ist nach der neuen Bauordnung untersagt.

 

In der unter Herzog Ludwig erlassenen Zimmerordnung von 1590 werden auch die vom Zimmerhandwerk angestrebten neuartigen Holzverbindungen als verbindlich vorgeschrieben. Mit diesen Bauvorschriften beginnt eine neue Ära des Hausbaues. Die in der neuen Bauart ausgeführten Wände sind belastbarer geworden. Dies ermöglicht eine andere Dachkonstruktion, bei der der Dachraum nicht mehr von Ständern behindert ist. Gleichzeitig werden die Dächer steiler, da das Kehlbalkendach zusammenbricht, wenn es nicht genügend steil aufgerichtet wird. Die neue Bautechnik ermöglichte gleichzeitig den Bau zweigeschossiger Fachwerkhäuser.

 

 

 Von den ältesten Gebäuden

 

Das erste Gebäude in Machtolsheim mit einem zweiten Stockwerk ist das Haus des Meierbauers. 1574 wird zum ersten Mal die herrschaftliche Gerichtsstube im "Oberen Stock im Hause des Meierbauers" erwähnt, die auf Kosten des Klosters dort eingerichtet worden war. Die Gerichtsstube wurde vom Kloster unterhalten und diente den Richtern des Vogtgerichts und dem Schultheiß als Amtsstube. Außer vom Hausinnern hatte sie noch einen eigenen Zugang über eine Außentreppe. Als 1534 das Kloster den großen Zehnten und den Kirchensatz erwirbt, wird in den folgenden Jahren die Zehntscheuer gebaut. 1574 wird die Funktion dieser Scheuer wie folgt beschrieben:

 

"Der große Frucht Zehend von allen Äckern zu Machtolsheim und in derselben Markung Zwing und Bänn gelegen, als ärmlich an Roggen, Dinkel, Hafer, Gerste, emra, haidenkorn und allem andern, so der Halm trägt und großer Zehend ist und gilt, gehört durchaus dem Kloster Blaubeyren einzig und allein. Und wird die Zehende Garbe auf dem Markt zur Zehenden gegeben, und solcher Zehend wo der nicht eine genannte Frucht verkauft, in des Klosters eigenen Zehend Scheuern selbst und auf eigene Kosten gesammelt, eingeführt und ausgetroschen. Der Erbsen, Linsen und Wicken Zehend zu Machtolsheim, soweit sich derselben Markung Zwing und Bänn erstrecken und vorgedacht den großen Zehend geben, gehört dem Kloster Blaubeyren einzig und allein.

Und wird wo er nicht um eine frei genannte Summe verkauft wird, in des Klosters Kosten eingesammelt und mit dem großen Zehenden in derselben Zehend Scheuern eingeführt und ausgetroschen."

 

Für den Fall, daß die Scheuer nicht ganz für die klostereigenen Steuern gebraucht wurde, konnte die Ulmer Zollstätte gegen Zins einen Teil ihrer Abgaben einlagern. Das Zollhaus, das 1442 zum ersten Mal als "dorfhalb, an dem Wege nach Laichingen" beschrieben wird, war den Machtolsheimern noch lange ein Dorn im Auge. Als ausländisches Territorium zahlte es keine Steuern und Abgaben. Außerdem versuchten Reisende den Ort zu umfahren, um dem Wegezoll zu entgehen. Dadurch entstanden vor allem den Schildwirtschaften finanzielle Einbußen, da die Reisenden nach Möglichkeit in anderen Orten übernachteten oder einkehrten.

 

Der wirtschaftliche und kulturelle Aufschwung, der in Machtolsheim gegen Ende des 16.Jahrhunderts deutlich spürbar war, wurde unterbrochen durch die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges. In der Zeit nach dem Krieg fanden in den verlassenen und menschenleeren Dörfern Flüchtlinge aus der Steiermark, dem Salzburgerland und der Schweiz eine neue Heimat. Der Name "Schweiz" der heute noch in Machtolsheim gebräuchlich ist, könnte auf eine Siedlung von Schweizer Flüchtlingen hindeuten, die sich in der heutigen Rosengasse niedergelassen haben. Die Nachkriegsjahre sind geprägt von dem mühsamen Aufbau der zerstörten Häuser, der Neuordnung der Verwaltung und dem Herrichten der verödeten Felder.

 

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 Gegen Ende des 17.Jahrhunderts ist die schlimmste Not überstanden, und man denkt wieder ans Bauen. Die Kirche und das Schulhaus sind von dem Heiligen toieder hergerichtet worden. Mit Nachdruck wird 1621 vom Kloster die Renovierung des alten Pfarrhauses gefordert, dessen Baufälligkeit bereits 1620 beklagt wurde und man nun "des Einfallens nicht mehr sicher sei". Nachdem es 1692 mit einem erheblichen Kostenaufwand wiederhergestellt ist, gibt sich die Gemeinde nicht zufrieden und fordert anstelle des alten Hauses ein ansehnlicheres für ihren Pfarrer. Im selben Jahr noch wird das alte Schulhaus erweitert und "fast ein ganzer Stock aufgesetzt", da des Lehrers Stube für 83 Kinder viel zu eng geworden war.

 

Auch an den Bauernhäusern wurde gebaut. 1655 hatte das Herzogtum Württemberg die alte Bauordnung überarbeitet und mit Ergänzungen neu herausgegeben. Die Neue Bauvorschrift verbietet "höltzine, gestickte und gekleibte Kemmeter und Rauchfäng" und ordnet an, daß "die Räuch nicht mehr durch die offenen Zimmer oder Tächer uneingefaßt, sondern durch gemauerte Kamin" aufgeführt werden. Die Feuergeschworenen überwachten die Anlage der Rauchfänge und Kamine, die bis dahin meistens aus Holz hergestellt und nur notdürftig mit Lehm überstrichen waren. Wollte man sich vor der unmittelbar damit verbundenen Feuersgefahr schützen, dann wurde der Rauch anstatt in den eigenen Dachraum, einfach in des Nachbars Dachboden oder in den gemeinsamen Winkel geführt. Die unmittelbare Brandgefahr für die strohgedeckten Häuser wurde damit nicht eingeschränkt. Die übers Dach geführten Schlote gefährdeten mit ihrem Funkenflug in trockenen Sommern auch die Nachbargebäude.

 

So kann es zu dem großen Brandunglück im Jahre 1740 gekommen sein, als 52 Gebäude eingeäschert wurden. Unter den ausgebrannten Gebäuden befand sich auch die Ratstube und der Gasthof zum Hirsch. Nach der Verlegung des Vogtgerichts nach Blaubeuren, diente die Ratstube nur noch dem Schultheiß und den Gemeinderäten als Amtsstube. Für die dort vor genommenen Amtshandlungen mußten dem Kloster die dafür festgesetzten Gebühren entrichtet werden. Zugang zur Ratstube hatte nur noch der Schultheiß selbst. 1750 beklagt der Maier Johannes Kölle diesen Zustand, in seinem Schreiben an den Herzog bittet er um die Anerkennung seiner Wahl zum Schultheiß:

 

"Es befindet sich nämlich in meiner Meierey Behausung auch des Flecken Gerichts und Ratstube, welche auf herrschaftliche Kosten erbaut worden, und auch solchergestalten muß erhalten werden. Zudem aber solche beständig zugeschloßen und das ganze Jahr hindurch nicht viel gebraucht wird, mithin sich sehr wenig ausgeputzt und gesäubert wird, so folgt hieraus, daß notwendige

 

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Dinge an dem Getäfer und Mauerwerk nach und nach vieles verdorben und in Abgang geraten muß, dahingegen wann ich von einer Zeit zur andern in diese Stube gehen und mittels Eröffnung der Läden und Fenster solche winder verlusten lasse - auch vornehmlich zur Winters Zeit vor Schnee und Regen besser verwahren könnte, so würde es des baulosens an der ganzen Behausung gereichen, dadurch aber gnädigster Herrschaft an Reparations und anderen Kosten ein merkliches erspart werden: Hiernach könnte ich auch des Fleckens Mobilien und schriftliche Sachen besser Aufsicht tragen, und solche auf einen Notfall am allerbesten salviren und in Sicherheit bringen, dahingegen, wann ein Schultheiß von dem Rathaus entfernt ist, leicht etwas negligirt werden - und dem Flecken Schaden und Nachteil dadurch zugezogen werden kann, wie dann erst vor einigen Jahren bei der entstandenen leidigen Feuersbrunst geschehen, daß viele Bücher und andere Documenta publica von dem Feuer konsumiert und mit genauer Not nur noch die Steuerbücher aus den

Flammen gerettet wurden.

 

 Und dieses wären dann hauptsächlich diejenigen Beweggründe um derentwillen Euer hochfürstlich Durchlaucht hiermit ganz untertänigst bitte, daß Höchst. Erleucht. dieselbe nur vor einem andern diese erledigte Schultheißenstelle gnädigst conferiren und dieserwegen hochfürstliche Befehl an jener Behörde abzulagen gnädigst geruhen möchten."

 

Auch der Zustand des Pfarrhauses macht der Gemeinde Sorgen. 1730 besichtigt der Abt aus Blaubeuren persönlich die unwürdige Behausung des Pfarrers. In seinem Schreiben an den Herzog befürwortet er den dringenden Neubau aus folgenden Gründen:

1. ist die Grundschwelle an 2 oder 3 Orten morsch und faul

2. hat das Haus den immedicablen Fehler, daß es zu schmal und kaum 30 Schuh breit ist.

3. es fehlt ein Dachraum, und wenn der Pfarrer vorrätige Frucht aufschütten wollte gezwungen ist sich des Kirchendachbodens zu bedienen. Jedoch nicht ohne Murmeln der Gemeinde, wegen der darunter notleidenden kostbaren Kirchengipsdecke.

4. Aufgrund der hier und da erscheinenden alten Zapfenlöchlein, Einblattungen und verkohlten Balken könne angenommen werden, daß "solch Häuslein von alten Abbruch- und Brandreliquien zusammengeflickt worden ist, und auch ein sehr schwach Gebälk hat."

 

 Noch in demselben Jahr wird mit dem Neubau begonnen. Zwar dauert es einige Jahre bis zur Fertigstellung, das Dach ist noch nach 8 Jahren "mangelhaft und hat keine Schindeln, daher es hineinregnet und schneit", aber es ist das größte und eindruckvollste Gebäude im Ort. Gleichzeitig wird auch die Zehntscheuer um eine "Kornschüttin" erweitert, was darauf hindeutet, daß die Landwirtschaft gute Erträge erzielte. Die reichen Jahre füllten auch die Kassen des Heiligen, und der Kirchenrat genehmigte den Neubau eines Schulhauses. 1741 entsteht unmittelbar an der Nordseite der Kirche das neue Gebäude. Aus welchen Gründen der Heilige diesen Platz für den Neubau gewählt hat, war nicht herauszufinden. Die folgenden Jahre zeigten, daß das Schulhaus dort ungeeignet und zu ständigem Ärger mit den Schulmeistern führte. Das "von Sonne und Mond abgeschirmte Gebäude" war modrig und kalt. Um in den Räumen unterrichten zu können, mußte bis weit ins Frühjahr geheizt werden. Dieser unmäßige Verbrauch von teurem Brennholz und der allmähliche Verfall der Wände in der dunklen Ecke, veranlasste 100 Jahre später den Abbruch dieses Ärgernisses.

 

Mitte des 18. Jahrhunderts kommt aus Stuttgart eine neue Verordnung. Die alten und neuen Fachwerkhäuser sollen verblendet werden. In erster Linie ist diese Vorschrift eine Geschmacksdiktatur, nebenbei verspricht man sich davon eine Erhöhung der Feuersicherheit. Mit dem Verblenden und Verputzen der alten Häuser ließen sich die Machtolsheimer Zeit. Bei den Neubauten jedoch eröffnete sich eine Möglichkeit, das teure Eichenholz einzusparen. Eichenbalken wurden nur noch für tragende Teile verwendet. Für das Fachwerk nahm man in Zukunft Nadelholz, da die Verwitterung unter dem Verputz keine Rolle mehr spielte. Außerdem ließ sich das weiche Holz der Tannen besser verarbeiten. Die allgemein zögernde Bereitschaft der Bevölkerung, ihre schönen Fachwerkbauten unter Putz zu verstecken, veranlaßte die Regierung im jahre 1811 zur nochmaligen nachdrücklichen Aufforderung, die Häuser zu verblenden.

 

Das von Napoleon zum Königreich erhobene Württemberg sollte sich seiner neuen Würde würdig erweisen, und Fachwerk galt als ein Überbleibsel der Armut und des Elends. Nach dem Krieg gegen die französische Vorherrschaft und der überstandenen Hungersnot zeigt sich der Aufschwung in den durchgeführten Bauvorhaben. Bereits 1833 wird ein neues Pfarrhaus nach modernsten Erkenntnissen in massiver Bauweise ausgeführt. 1840 baut die Kirche das bis heute erhaltene Schulhaus.

 

 1852 begegnet uns wieder die Ratstube. Die Baufälligkeit ist kaum mehr aufzuhalten. Der Dachstuhl wurde mit Sprießen am Einfallen gehindert und der Dachboden war bereits um 6-8 Zoll "versunken". Obwohl ein Neubau erst in 20 Jahren vorgesehen war, erteilte das Kloster seine Einwilligung zum Rathausneubau, weil dann "auf 200 Jahre nur 5 Ausbesserungsfälle vorkommen, wovon eine jede alle 33 Jahre 148 fl. betragen kann". 1855 wird das neue Rathaus gebaut, ebenso wie die Schule und das Pfarrhaus aus behauenen Steinen und mit geräumigen Zimmern.

 

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Der bereits zu Beginn des Jahrhunderts spürbar gewordene Mangel an Bau- und Brennholz führte auch in Machtolsheim zu immer größeren Problemen. Die ständig anwachsende Zahl der Einwohner verbrauchte mehr Holz, als im Wald nachwachsen konnte. Um das Fachwerk zu ersetzen, fehlten den einfachen Leuten die Mittel, um geeignetes Baumaterial zu kaufen. Als Ersatz für behauene Steine dienten Feldsteine, die mit Mörtel aufeinander geschichtet nur ungenügend tragfähige Wände ergaben. Den Mangel an Bauholz und seine Ursachen schildert anschaulich Pfarrer Höslin in seiner 1798 erschienenen Broschüre "Württembergische Alb".

 

"Auch in den Waldungen um Blaubeuren zeigt sich der Mangel an tüchtigem (guten) Brennholz und Bauholz. Am schlimmsten ist noch die Unart, daß hinter der Axt her Pferde und Ochsen in den Waldungen weiden. Von Pferden und Ochsen, die Tag und Nacht in den jungen Wäldern angetroffen werden können, werden sie entweder ganz hübsch weggefressen oder doch wenigstens zu Krüppeln gemacht. Geißen sind auch nur zuviele vorhanden. Das verderblichste aber ist das Mähen in den Wäldern. Unter dem Vorwand, man müsse im Winter Heu haben, schleichen sich Mähder in die Mitte des Waldes hinein und richten ungeheuren Schaden an. Es ist auch nicht zu leugnen, daß es auf der Alb von Wildbrät wimmelt, so auf das weiche Holz losgehen und es abfressen. Bei Greueln von der Art ist es kein Wunder, wenn der Holzmangel mit jedem Tag größer wird."

 

 Die von der Regierung angeordnete Ablösung der Wald- und Weideberechtigungen und die Einführung der Stallfütterung konnte sich in Machtolsheim erst 1825 durchsetzen. Damit hatte der Wald eine kurze Verschnaufpause gewonnen, und konnte vorerst in erster Linie wieder Holz erzeugen. Zunächst jedoch wurden die Wälder auf andere Art von der Landwirtschaft in Anspruch genommen. Die durch die Stallfütterung aufgekommene Streunot veranlaßte die Bauern, diejenigen Waldteile, die seither nicht so stark ausgehauen und beweidet worden waren, zum Laubbrechen heranzuziehen und rücksichtslos auszurechen. "Nur an Halden und Hängen, wo das Streurechen mühsam und unbequem war, konnte sich einiges Laub und etwas Humus sammeln."

 

 Um die Holznot zu steuern, und um das leichte, billige Nadelholz nicht mehr von Ulm herführen zu müssen, begannen die Gemeinden mit dem Aufforsten der verödeten Wälder. Mit zum Teil großen Kosten wurden alle schlecht bestockten Wälder, viele Mähder und Holzwiesen mit Fichten und Forchen bepflanzt. Mit der Ablösung der Dreifelderwirtschaft durch die Fruchtwechselwirtschaft beginnt für die Landbevölkerung ein neues Zeitalter. Das neue Wirtschaftssystem mit dem künstlichen Futteranbau und einer geregelten Tierfütterung zeigt sich dem alten Ackerbausystem weit überlegen. Tieferes Pflügen, Pflege des Bodens mit Stallmist und die Züchtung von leistungsfähigen Tierrassen haben im Laufe des 19. Jahrhunderts dazu geführt, daß sich die Erträge in ungeahnter Weise gesteigert haben. Auch in dem Jahrtausend der Dreifelderwirtschaft gab es Fortschritte, aber die Wirtschaftsverhältnisse blieben im ganzen doch konstant.

 

Diese Veränderungen führten auch zu einer Umgestaltung der ländlichen Gebäude. Für die das ganze Jahr im Stall untergebrachten Tiere benötigten die Bauern große Vorräte an Stroh zum Einstreuen und im Winter ausreichende Heulager. In dieser Zeit entstanden in Machtolsheim die meisten Scheuern. Je nach Lage der vorhandenen Gebäude wurden die Vorratsräume an die bestehenden Häuser angebaut oder dem Wohn- und Stallhaus gegenüber angeordnet, so daß erste Hofanlagen entstanden. Um die Jahrhundertwende verschwanden allmählich die Strohdächer. Die Bauernhäuser und Scheuern wurden mit Ziegeln eingedeckt und zum Teil auch mit neuen Dachstühlen versehen. Das auslaufende 19. Jahrhundert hat das Ortsbild von Machtolsheim so geprägt, wie es im wesentlichen bis in die fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts erhalten blieb.

 

Erst der fortschreitende Einfluß der Technik, des Verkehrswesens und die veränderte geistige Einstellung des modernen Menschen haben in den letzten 30 Jahren einen tiefgreifenden Wandel im ländlichen Hausbau geschaffen. Zwar blieben die ländlichen Bauten im Verlauf der Jahrhunderte nie ganz unbeeinflußt von den Stilströmungen der Epochen, jedoch war der bäuerliche Mensch früherer Tage ganz anders als heute darauf angewiesen, beim Hausbau Material zu verwenden, das ihm in der engeren oder weiteren Umgebung zur Verfügung stand. Dadurch blieb stets ein schöner Einklang mit der landschaftlichen Umwelt gewahrt.

 

An die Stelle von Holz, Lehm und Stroh sind heute Eisen, Zement, Asbest und Bleche getreten, und die Wege sind offen, alle nur denkbaren Konstruktionen anzuwenden. Viele alte Häuser werden dem Verkehr geopfert, wenn sie die oft allzu zügige Durchfahrt durch ein Dorf behindern. Damit wandelt sich das Bild der Dörfer und der alten Landschaft von Jahr zu Jahr. Die beschränkten Möglichkeiten früherer Tage zwangen zur sinnvollen Einordnung, die erweiterten Möglichkeiten unserer Zeit führen zur Entfremdung von der Landschaft und der Eindruck der großen Harmonie zwischen Natur und Architektur wird immer seltener.

 

Bärbel Erz